Franziska Hildebrandt

 

Im Rahmen meines Lehrauftrags an der HTWK sprach ich mit Franziska Hildebrandt, Leiterin der Abteilung Rechte & Lizenzen beim Campus Verlag


Du hast an der HTWK Leipzig studiert und 2001 deinen Abschluss gemacht. Wie gelang der Schritt von der Uni zur Leiterin der Abteilung Rechte/Lizenzen beim Campus Verlag?
Es gab im Campus Verlag anfangs nicht wirklich eine Rechte- und Lizenzabteilung, denn der Fokus lag lange auf Wissenschaft und Wirtschaft, nichts, was man im Ausland, aber auch in Deutschland, einer großen Masse verkaufen kann. Das änderte sich dann ab 1998/99 mit einigen Bestsellern. Ich hatte meine Diplomarbeit über Nebenrechtsverwertung geschrieben und damals ein Praktikum bei Eichborn gemacht. Die Eichborn-Lizenzverwalterin hat mich dann empfohlen und sehr unterstützt. Mittlerweile sind wir eine Abteilung mit drei Kolleginnen.

Wann entstand das Interesse am Thema Rechte und Lizenzen?
Bei einem Praktikum in England, bei einem Verlag, der Motorbücher gemacht hat. In amerikanischen und englischen Häusern werden Bücher weltweit verkauft, und ich fand das spannend, dass man in aller Welt Partner findet. Jeder kennt einen John Grisham oder Stephen King, aber auch viele kleine oder mittlere Verlage haben sehr gut funktionierende Lizenzabteilungen und verkaufen die aberwitzigsten Dinge in alle Welt. Eine Bekannte von mir hat gerade einen Ratgeber über Petersilienzucht nach Asien verkauft.

Was sind die Voraussetzungen, um in diesem Geschäft Rechte und Lizenzen gut zu sein?
Was man sich bewusst machen muss: Es ist definitiv ein Verkaufsjob. Und dafür muss man auch seine Produkte mögen. Ich bin zwar eine enorme Belletristik-Leseratte, aber ich schätze unsere Fach- und Sachbücher und kann sie guten Gewissens verkaufen. Was ich mit „verkaufen“ meine ist, dass man ein Gefühl dafür bekommt, was mein Gegenüber möchte. Wenn ich eine halbe Stunde auf der Frankfurter Buchmesse mit einem koreanischen Verlag habe, muss ich rausbekommen, was der will. Und das muss ich auch eine halbe Stunde später mit einem englischen oder einem spanischen Verlag. Eine Rechte- und Lizenzabteilung ist zudem sehr auf Nachhaltigkeit bedacht, man muss Verträge und Kontakte pflegen, man sollte ein gutes Backoffice organisieren können.

Sprachenkenntnisse sind also Voraussetzung?
Die meisten Verhandlungen laufen auf Englisch. Ich kenne aber auch Kolleginnen, die auf bestimmte Märkte spezialisiert sind, etwa französisch- oder spanischsprachige. Es gibt wiederum viele Asiaten, die Deutsch sprechen, und, was man dazu sagen muss, im Lizenzgeschäft läuft vieles über Agenturen. Ich habe zum Beispiel eine Agentur, die alle spanischsprachigen Länder für mich beackert, und mit dieser Agentur spreche ich Deutsch, und die wiederum gehen in ihre Märkte, und sprechen dort mit ihren Verlagen Spanisch.

Wie läuft so ein Lizenzdeal konkret ab? Du bietest den ausländischen Verlagen das Portfolio an und dann?
Man braucht einen guten Katalog, in dem die Titel sind, die man anzubieten hat. Aber die Buchmessen in Frankfurt, London und Leipzig sind nur ein Starttermin für das, was dann eigentlich kommt. Nehmen wir mal ein Beispiel: Ich habe mit einem koreanischen Verlag über fünf Bücher gesprochen. Der koreanische Agent hat Interesse und bestellt diese Bücher. Die werden dann von uns als PDFs oder als Originalbuch verschickt. Der Lektor in Korea oder Buenos Aires schaut sich das Buch vom Campus Verlag an, ob es so einzigartig und toll ist, dass es übersetzt werden soll. Als englischer Verlag kann man seine Bücher überall hinschicken, die werden in der Regel von den Lektoren verstanden. Als deutscher Verlag muss ich häufig noch eine Dienstleistung einkaufen, nämlich einen „Reader“, jemand, der dieses Buch prüft und wertet und begutachtet. Also, es müssen viele Dinge zusammenspielen, dass der brasilianische oder koreanische Verlag am Ende trotzdem sagt, er hat Interesse. Wenn wir uns von einem Buch wirklich viel versprechen, fertigen wir eine Probeübersetzung an, das ist leider kostspielig und arbeitsintensiv, aber im Zweifelsfall ist es die bessere Wahl, weil dadurch das Buch einfach mehr Beachtung findet.

Was war dein erfolgreichster Lizenzverkauf?
„Simplify your Life“, also ein Lebenshilferatgeber. Der hat sich allein in Deutschland über 700.000 mal verkauft, und den habe ich in 33 Sprachen verkauft. Es gibt eine englische Ausgabe bei McGrall Hill in den USA oder eine kleine Ausgabe aus Thailand in wunderschönen Schriftzeichen. Dafür wird man ja als Lizenzabteilung auch von den Autoren geliebt, weil jeder Autor gern über sich sagt, dass er übersetzt worden ist.

Wie stehen die Chancen für Autoren, ins Ausland verkauft zu werden?
Da bin ich mittlerweile nach zehn Jahren Erfahrung sehr realistisch, und ich sage vielen Autoren, die sich in einem großen englischen Verlag sehen, dass das garantiert nichts wird. Wir machen 70 bis 80 Auslandslizenzverträge pro Jahr, wenn es hochkommt, sind zwei bis drei Lizenzen ins Englische dabei. Umso schöner ist es, dass es in anderen Ländern fast immer klappt. Die Niederlande sind uns zum Beispiel sehr nahe, was Themen und Herangehensweise betrifft, die asiatischen Länder sind gerade im Lebenshilfebereich sehr interessiert.

Welchen Stellenwert hat die Abteilung innerhalb des Campus Verlages?
Der Campus Verlag hat ungefähr 35 bis 40 Mitarbeiter. Wir produzieren circa 240 Titel pro Jahr. Und die Lizenzabteilung ist die letzte Abteilung, die in dieser Buchverwertungskette eine Rolle spielt. Ich bin mit meinen zwei Kolleginnen die einzige, die sich noch wirklich mit dem Frühjahrsprogramm 2011 beschäftigt. Unser Lektorat arbeitet am Frühjahrsprogramm 2012 und denkt schon an Herbst 2012. Unser Vertrieb ist definitiv schon im Herbst 2011 und die Presse plant den Herbst 2011. Aber für uns ist dieses Programm, das jetzt ausgeliefert wird, das Programm, das wir verkaufen. Das hat im Haus den Vorteil, dass wir bei ganz vielen Prozessen nicht dabei sein müssen. Ich bin zwar auch bei Programmkonferenzen dabei, damit ich weiß, was im Herbst passiert – und ich kann dann auch sagen, dass bestimmte Titel für uns sehr gut sind und bestimmte Titel für uns keine Rolle spielen werden – aber im eigentlichen Prozess, beim Einkauf, müssen wir nicht dabei sein. Der Vorteil ist, dass das, was wir verdienen, für den Verlag ein Zusatzverdienst ist. Campus macht rund zehn Millionen Euro Umsatz pro Jahr und die Lizenzabteilung davon etwa acht bis zehn Prozent. Für einen Zusatzverdienst ganz nett. Interessenskonflikte zwischen den Abteilungen gibt es nur, wenn ich Taschenbuchrechte verkaufe. Wenn sich ein Hardcover-Ratgeber im Jahr 20.000 bis 25.000 mal verkauft, ist das natürlich für den Vertrieb eine cash-cow. In dem Moment, wo wir intern die Entscheidung fällen, den Titel ins Taschenbuch zu geben, wird niemand mehr das Hardcover für 20 Euro kaufen. Wir kalkulieren das also durch, was bringt uns das Taschenbuch und was verdienen wir, wenn wir es weiter gemächlich 20.000 Mal im Jahr verkaufen?

Eigene Taschenbücher macht Campus nicht?
Nein. Die Taschenbuchverlage haben in Deutschland ein sehr starkes Profil. Die großen Häuser schicken zweimal im Jahr einen Katalog mit 300 bis 400 Titeln herum, und die haben eine unheimliche Handelsmacht. Das Vertriebssystem ist auch ein anderes, Taschenbücher erscheinen monatlich. Um so ein Taschenbuchprogramm wirklich stark zu bestücken, hätten wir nicht genug Bücher. Die Konzernverlage wie Rowohlt, S. Fischer oder Random House verwerten ihre Lizenzen natürlich selbst.

Gibt es typische Fallen im Rechte- und Lizenzengeschäft?
Was mir natürlich das Liebste ist, dass ich in einem Land mehrere interessierte Verlage habe und wir bei einer Auktion den Titel versteigern können. Aber oft ist das Gegenteil der Fall, dass man nur sehr schwierig oder überhaupt keinen Verlag findet. Bei den englischen Verlagen verkaufe ich auch ab und zu Lizenzen, ohne Geld zu bekommen. Es ist bitter, aber wenn ich für einen unserer Wissenschaftler eine amerikanische University Press finde, die bereit ist, dieses Buch zu publizieren, dann würde ich fast noch etwas dafür bezahlen. Im Wissenschaftsbereich müssen viele Autoren auch im Englischen publiziert werden, um anerkannt zu werden. Ein anderes Beispiel: Üblicherweise schicke ich in dem Moment, wo ich eine Lizenz verkaufe, den Vertrag an den Lizenznehmer, zu meinen Bedingungen natürlich. McGraw Hill würde nie einen Vertrag von einem deutschen Verlag unterzeichnen. Dann verzichten sie lieber und machen das Buch halt nicht. Das heißt also, in diesem Moment bekomme ich einen englischsprachigen Vertrag von McGraw Hill, darf eventuell noch bei zwei, drei Punkten diskutieren, aber bitte nicht bei den wichtigen, und die restlichen Passagen muss ich schlucken. Das ärgert einen schon, und es ist eigentlich auch nicht Usus.

Inwieweit gehören die elektronischen Rechte, E-Book usw., zu deinen Aufgaben?
Verwertung ist mittlerweile nicht mehr mein Bereich. Wir haben zwar 2003/2004 schon einige Verträge zum Thema E-Book abgeschlossen, aber es hat sich schnell herausgestellt, dass das eigentlich eine Vertriebsaufgabe ist, eine andere Form unseres Inhalts, so wie ein Hörbuch. Und darum haben wir das dann von der Lizenzabteilung gelöst und in den Vertrieb gegeben. Das sind immer noch sehr viele Kleckerbeträge sind, aber über die Masse funktioniert es dann doch.

Wie hoch ist der Anteil des E-Book am Umsatz?
Etwa 10 Prozent. Man muss aber sehen, dass Campus eine typische Manager-Klientel hat. Die sind internetaffin, arbeiten viel mit ihrem Laptop, BlackBerry oder iPhone, das heißt, wenn die abends um zehn an einem Vortrag über Mitarbeiterführung sitzen, den sie am nächsten Tag halten, dann gehen die ins Netz und ziehen sich über die Plattform die nötigen Kapitel aus den verschiedenen Büchern. Ich weiß auch, dass in Belletristikverlagen andere Diskussionen stattfinden. Es ist für uns einfacher.

Wenn in Deutschland ein bestimmtes Thema funktioniert, muss es in Frankreich, Italien, Spanien oder im asiatischen Raum noch lange nicht funktionieren. Bekommt man mit der Zeit auch ein Gespür dafür welche Themen in welchen Ländern besonders gut ankommen?
Das kann man ganz klar nach der Himmelsrichtung bestimmen. Im Osten, in den asiatischen Ländern, besteht ein unheimlich großes Interesse an deutschen Managementautoren, Wirtschaft und an Ratgeberthemen. Im Osten schaut man auf den Westen, so wie wir immer in die USA schauen. Das kommt uns einerseits sehr entgegen, andererseits konkurrieren wir sehr stark mit amerikanischen Verlagen, die sind in der Regel fünf Jahre weiter. Dazu kommt, dass wir selber sehr viele der großen Themen aus den USA einkaufen. Innerhalb Europas funktioniert Osteuropa sehr gut für uns, das hat in den letzten Jahren extrem zugenommen. Gerade auch Russland und Polen sind große Märkte. Schwieriger wird es in Westeuropa. In Frankreich und Spanien muss man im Wirtschafts- und Sachbuchbereich schon wirklich einen herausragenden Autor oder einen Bestseller haben, damit sich jemand dafür interessiert. Im Zweifelsfall hat die französische Uni einen eigenen Managementvordenker, oder sie haben den amerikanischen Managementvordenker eingekauft, warum genau sollten sie den deutschen nehmen?

Wir kaufen ja auch keine französischen Ratgeber oder Managementbücher ein.
Richtig. Und das ist in Spanien und Italien auch der Fall. Wir haben mal ein Sachbuch gemacht, „Die Frauen der Diktatoren“. Das ist ein Beispiel, das wir vor allem hier in Europa gut verkauft haben.

Wie viel bekommt der Autor von den Lizenzeinnahmen, 50:50?
Wir leiden da im Moment ein bisschen. Der klassische Verlagsvertrag sagt, dass der Autor an Nebenrechtsverwertung mit fünfzig Prozent beteiligt ist. Aber je mehr Agenten uns in Deutschland Buchideen verkaufen, umso stärker ändern sich die Verträge zu 60:40. Das heißt, wenn ich einen Taschenbuchabschluss für 10.000 Euro mache, wandern 6.000 Euro zum Autor. Auf den Gesamtumsatz gerechnet sind diese 10 Prozent natürlich ein Batzen Geld, der dem Verlag fehlt.

Der Campus Verlag sitzt in Frankfurt, du arbeitest von Leipzig aus im Homeoffice. Wie funktioniert das?

Dadurch, dass die Lizenzabteilung eine nachgelagerte Abteilung ist, ist das ganz gut machbar. Jemand aus dem Lektorat oder der Herstellung könnte das so sicher nicht machen. Ich habe mit meinem Mann dreieinhalb Jahre in den USA gelebt und schon von dort im Homeoffice gearbeitet. Ob ich meine E-Mails nach Korea von Detroit, Frankfurt oder Leipzig schreibe, um in Verhandlungen zu treten, ist egal. Eine Woche im Monat bin ich in Frankfurt, und in dieser Woche klären wir im Verlag natürlich sehr viel Strategisches.

Wie ist deine Herangehensweise beim Titeleinkauf beziehungsweise wie viel Einfluss hast du darauf?
Den Titeleinkauf macht das Lektorat. Also das heißt, die Titel oder Verlage beobachten, was passiert in den USA, was passiert auf den wichtigsten Märkten. Und erst in dem Moment, wo man sich in der Programmkonferenz entschieden hat, ein Buch einzukaufen, ist die Lizenzabteilung dran. Umgekehrt ist es halt auch so, dass ich mit meinen Büchern woanders präsent sein muss, das heißt, wenn in Litauen ein kleiner Campus Verlag sitzt, muss der mitkriegen, dass es in Deutschland einen mittleren Campus Verlag gibt, der in sein Profil passt. Diese Aufmerksamkeit muss ich erregen. Es gibt im englischsprachigen Raum ein Magazin, das heißt „New Books in German“. Das wird jedes halbe Jahr an etwa 70.000 Kontakte verschickt. Es ist mein Job, da reinzukommen. Die Frankfurter Buchmesse betreibt das Buchinformationszentrum (BIZ) in Neu-Delhi oder Peking. Da sitzen drei Chinesinnen, die sehr gut Deutsch sprechen, und versuchen, deutsche Titel an chinesische Verlage zu vermitteln. Man muss sehr viel Aufmerksamkeit erregen und Publicity machen. Wenn man einen Bestseller hatte, oder wenn ein Autorenname erstmal bekannt ist, wird es etwas einfacher. Meine Kollegin hat in Frankfurt auf der Messe einen Verleger aus Vietnam getroffen, wir hatten noch nie Kontakte nach Vietnam. Und der hat jetzt drei Bestsellertitel gekauft und publiziert die gerade.

Was bekommt man dafür?
600 Euro. [Lacht] Das ist genau der Punkt, weswegen wir auch nicht nach Laos und nicht nach Nigeria verkaufen - je kleiner die Sprache wird, umso teurer eine Übersetzung, um so weniger attraktiv wird es leider auch.

Wie kann man sicher sein, dass diejenigen, die die Lizenzen eingekauft haben, sie nicht selber wieder verkaufen?

Indem man seine Vertragspartner schätzt und achtet und hofft, dass es nicht passiert. Man kann es nicht kontrollieren. Ich muss einfach darauf vertrauen, dass mein chinesischer Verlag darauf achtet, was in seiner Druckerei passiert und dass, wenn 20.000 Bücher vereinbart waren, nicht 40.000 gedruckt werden, und die restlichen 20.000 irgendwo auf der Straße verkauft werden. Aber ich kann es nicht kontrollieren. Letztendlich liegt das im Aufgabenbereich des chinesischen Verlages. Ich verpflichte ihn mit meinem Lizenzvertrag dazu, dass er mein Copyright und sein eigenes Copyright pflegt und schützt.

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