Drei Fragen an: Literaturagent Martin Brinkmann, München


Herr Brinkmann, Sie leiten am 2. Juni auf der narrativa 2 eine der Pitching-Sessions, in denen Autorinnen und Autoren ihre Werke in maximal fünf Minuten vor Agenturen pitchen. Kann man denn ein Projekt in einer so kurzen Zeit angemessen vorstellen?
Ja, das sollte man sogar, wenn man durchdringen will. Die großen Stoffe lassen sich doch stets in wenige Sätze packen. Nehmen wir mal etwas Abseitiges wie „Die Nacht der lebenden Toten“: Eine Handvoll Menschen fliehen vor Zombies in ein Haus. Dann wird es Nacht. Hey, es reichen sogar zwei Sätze, um Interesse zu wecken, um Spannung zu erzeugen!

Katrin Trometer vom Suhrkamp Verlag spricht am 1. Juni, dem ersten Tag der narrativa, über die „Erste Seite“. Wie halten Sie es als Agent – hat ein Manuskript mit einer misslungenen ersten Seite bei Ihnen noch eine Chance? Wieviel Text brauchen Sie, um zu sehen, ob ein Text gut ist?
Weniger als eine erste Seite. Häufig reicht das Anschreiben, nein, der erste Satz des Anschreibens schon aus, um, sagen wir mal, sprechende Bände erahnen zu lassen. Scherz beiseite: Meistens weiß man wirklich schon nach einem Satz, was los ist oder eben nicht. Im Grunde muss der erste Satz so interessant sein (aber nicht gewollt interessant), dass ich den zweiten lesen will – und der zweite so aufregend, dass ich den dritten lesen will, und so fort. Aber keine Angst: Die Begeisterungsbereitschaft ist stets groß. Vor allem dann, wenn man merkt, dass sich der Einsender Gedanken gemacht hat, warum sein Manuskript ausgerechnet an dieser Stelle passen könnte.

Im Fokus der narrativa steht die Diskussion über die Entwicklungen des gegenwärtigen Erzählens. Sie sind nicht nur Agent, sondern auch Herausgeber der Krachkultur und Literaturkritiker. Welche Entwicklungen des Erzählens beobachten Sie?
Das lässt sich schwer sagen. Literaturzeitschriften sind ja gar nicht mehr erste Anlaufstellen für junge Autoren. Glücklicherweise habe ich ja auch eine Agentur, die sich zu einem beträchtlichen Anteil um literarische Titel kümmert, wobei das Sachbuch allerdings überwiegt. Betrachte ich also alle Einsendungen zusammen, die mich so erreichen, dann ist eigentlich alles nach wie vor da: das formal Avancierte, das sozial Engagierte, die Selbstbespiegelung. Allerdings habe ich das Gefühl, dass die Schreibenden sich immer weniger mit dem bereits Geschriebenen von damals und heute auseinandersetzen. Die Spitzen allerdings sind präparierter und reflektierter denn je. Wie überall bricht das Mittelfeld weg. Aber falls das die Frage war: Eine Bewegung à la Pop-Literatur oder Carver-Nachäff-Schreibgruppe sehe ich derzeit nicht.

www.literaturagentur-brinkmann.de/
 

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