Offen, ehrlich, authentisch: Mit einer Kraft, die immer vom Geschichtenerzählen ausgeht. Der Kurs "Arbeit am Text" vom 5.-6. Juli mit dem Kieler Autor Feridun Zaimoglu war eine Wucht. Hinter jedem Satz ein Ausrufezeichen, mit einem ungeheuer genauen Blick auf die Sprache, und dabei vollkommen uneitel.
Feridun Zaimoglu ist sich treu geblieben, denn er sieht sich in der alten Tradition des Geschichtenerzählers. „Früher liefen die Erzähler von Dorf zu Dorf, wenn sie gut waren, wurden sie belohnt, wenn sie schlecht waren, wurden sie aus dem Dorf gejagt.“ Heute sind es nicht mehr die Dörfer, sondern die Buchhandlungen und Säle großer Städte. Doch unterwegs sind die modernen Geschichtenerzähler noch immer. Auch Zaimoglu. Er packt dann seinen großen Koffer, hat immer 16 Hemden, 16 Unterhosen und 16 Paar Socken dabei. Für sein Schreiben verzichtet er auf vieles, er sagt selbst, dass er kaum ein Privatleben habe. „Es klingt vielleicht kitschig, aber man muss dafür brennen“, sagt der 44-Jährige. „Als ich Leyla schrieb, sagte ich mir jeden Morgen: Lieber sterbe ich, als dass ich jetzt nicht schreibe.“ Brennen tat auch etwas anderes im Kurs „Arbeit am Text“: Nach jedem Text musste Feridun, der leidenschaftliche Kettenraucher, schnell vor die Tür, um eine Mentholzigarette durchzuziehen.

Einfach schreiben - wie ein Maler die Dinge einfach sehen und beschreiben. Nicht umsonst zieht Zaimoglu den Vergleich zur anderen Kunstform: Er selbst malt seit vielen Jahren, ja manchmal, wenn er davon erzählt, scheint es, als sei er nur Schriftsteller geworden, weil es mit der Malerei bislang nicht so recht geklappt hat.

„Wir dürfen nicht in eine Rolle schlüpfen, wenn wir schreiben“, sagt er, „wir müssen unsere Geschichte erzählen.“ Und dazu zählt für ihn auch Recherche. Wenn er einen Roman schreibt, muss er das, was er erzählt, erleben, er muss zum „Handlanger seiner Figuren“ werden. Das heißt, auch nachts um vier durch die leeren Straßen Warschaus zu gehen oder im Hochsommer durch Budapest zu rennen, um zu fühlen, wie das ist, das heißt, die eigene Mutter in langen Sitzungen zu interviewen, wie er es für sein Buch Leyla getan hat. Der Plagiatsvorwurf einer Journalistin hat ihn daher hart getroffen. Zwei Jahre seines Lebens hat er mit diesem Roman verbracht, ist gereist, hat mit seiner Familie gesprochen „und dann kommt jemand und will dich fertig machen.“ Zaimoglu erzählt, wie er nach diesem Artikel zum Teil wieder von Lesungen ausgeladen wurde. Hinter den Kulissen der „schönen“ Literatur geht es also oft ganz anders zu. Zaimoglu erzählt von anderen Verletzungen und Enttäuschungen, von der Fallhöhe, wenn man auf der Shortlist des Buchpreises steht und ihn nicht bekommt. Und trotzdem, sagt er, sei er nicht „hart geworden.“ Und das stimmt voll und ganz: Begeisterung, Offenheit, absolute Durchlässigkeit. Hier möchte sich einer den kindlichen, unverstellten Blick auf die Welt bewahren – und tut das mit Erfolg.

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