Sie haben Ihren ersten Roman mit 40 Jahren, also relativ spät veröffentlicht, wie sah ihr Weg in einen Verlag aus?
Untypisch. Untypisch insofern, als ich mein Manuskript an zwei Verlage geschickt habe und beide es haben wollten. Der Ullstein Verlag, bei dem ich jetzt bin, und ein großer Münchner Verlag. Eine Situation, von der man dachte, dass sie nie eintritt. Erst riefen die einen an und wollten das Manuskript unbedingt haben, daraufhin war ich dann gestärkt und dachte, jetzt rufst du mal bei dem anderen Verlag an, und dann ging es stündlich. Kommen Sie doch nach München, nein, kommen Sie nach Berlin, und ich befand mich plötzlich in einer großen Krise, welchen Verlag ich nehmen sollte.

Wie lange hat es gedauert, bis sich die Verlage gemeldet hatten?
Ich hatte ein Jahr zuvor Exposé und Probeseiten eingeschickt, daraufhin meldeten sich beide Verlage und sagten, ich könne mich wieder melden, wenn das Manuskript fertig sei. Für den einen Verlag hatte ich über die „Mörderischen Schwestern“ einen Tipp bekommen, dass der Programmleiter an neuen deutschen Krimiautoren interessiert sei, den anderen Lektor kannte ich über eine Anthologie, die ich herausgebracht habe. So hatte ich auch dort im Lektorat einen Ansprechpartner. Obwohl ich das Manuskript aufgefordert eingesendet hatte, war ich, wie man so schön sagt, angstgelähmt. Trotzdem wusste ich, dass ich die Chance nutzen will. Ich wollte immer schreiben, und irgendwann muss man halt raus.

Wie ist Ihre Erfahrung mit Agenten?
Ich habe nach meinem dritten Roman doch entschieden, mit einen Agenten zusammenzuarbeiten. Man kann für sich selbst manchmal schlecht handeln, und auch wenn ein Verlag sehr begeistert ist, überblickt man die ganzen Branchenhintergründe nicht. Ich würde allerdings davor warnen, vorschnell einen Agenten zu nehmen, ohne sich persönlich getroffen zu haben. Immerhin bekommt er 15 Prozent von jedem Euro, den ich verdiene, da muss die Chemie schon stimmen. Ich muss das Gefühl haben, er kann mich wirklich gut vertreten.

Dass das bei Ihnen sofort so gut funktioniert hat, wird am Manuskript gelegen haben. Meinen Sie, dass ein gutes Manuskript immer seinen Weg macht im deutschen Literaturbetrieb?
Ja, absolut. Ich kenne keinen Verlag, keinen Lektor oder Agenten, der nicht verzweifelt guten Stoff sucht.

Ist das nicht ein Paradox? Auf der einen Seite die Überschwemmung mit Material, hunderten Manuskripten pro Tag, auf der anderen die Suche nach guten Texten.
Genau. Es kann aber sein, dass ein gutes Manuskript eine Weile braucht, bis es einen Verlag findet, weil es unglücklicherweise an einem Tag großer Überlastung auf dem falschen Tisch gelandet ist, weil man denkt, das Thema sei gerade durch, weil irgendwas falsch verstanden wird. Ich glaube aber, dass sich eine gute Geschichte durchsetzt. Ullstein hat mehrere Autoren ins Programm genommen, die ihr Buch im Selbstverlag rausgebracht haben. Nele Neuhaus zum Beispiel hat ihre ersten beiden Bücher selbst veröffentlicht, mit einem lokalen Buchhändler Lesungen organisiert, die sehr erfolgreich waren. Irgendwann hat die Buchhändlerin der Verlagsvertreterin gesagt: Ich hab hier eine Autorin, die verkauft sich wie verrückt, und so ist sie zu einem großen Verlag gekommen. Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, an einen Verlag zu kommen. Wenn man eine gute Geschichte und eine gute Schreibe hat, wird sich das durchsetzen.

Das ist ja immer die Gratwanderung: Glaubt man an sich, obwohl der Text eigentlich unreif ist, oder wird man nur verkannt. Wann sollte ein Autor loslassen von einem Text?
Ich würde mir auf jeden Fall Testleser besorgen. Ich habe für jeden meiner Romane Testleser. Meine Lektorin liest mit, mein Mann liest mit, und zwei Freundinnen lesen mit, weil ich an denen überprüfen kann, ob die Geschichte funktioniert, ob sie mich verstehen. Man muss sich natürlich die richtigen Leute suchen, es nützt ja nichts, wenn man nur Hurra-Sager um sich hat. Bei meinem letzten Roman merkte sich, dass die Reaktionen etwas verhalten waren. Sie fanden den Text zwar schön, waren aber nicht begeistert. Ich habe dann so lange gebohrt, bis die Wahrheit ans Licht kam, und bin dann in eine tiefe Krise gestürzt. Schließlich musste ich die ersten 200 Seiten noch mal schreiben. Man muss also auch die Fähigkeit zur Selbstkritik mitbringen. Zweimal habe ich es mit Romanentwürfen bis Seite 100 geschafft, und dann ging es nicht weiter. Da sagte mir erfahrener Autor: Da entscheidet es sich, ob ein Stoff für eine große Geschichte taugt oder nicht, und ich dachte: Danke, das weiß ich jetzt auch (lacht). Ich glaube, man kann es ganz tief in sich spüren, ob eine Geschichte trägt und für einen Roman reicht. Dahinter steht auch immer die Frage: Will man um jeden Preis veröffentlichen, oder ist man auch bereit an sich zu arbeiten?

Wie gehen Sie mit solchen Momenten der tiefen Selbstzweifel, der Krise um? Wie überwinden Sie die?
Ich finde sie immer furchtbar, ganz ehrlich. Andererseits gehört es dazu. Ist schreiben Lust oder Qual? Es ist immer beides, und dieses Quälende bringt oft den Antrieb, noch mal genau zu schauen, noch genauer zu arbeiten, und das bringt den Text dann auch weiter. Es gehört zum Schreiben dazu, aber wenn man in dieser Phase ist, ist es sehr unschön, besonders, wenn man einen Abgabetermin hat und der Druck damit noch steigt. Aber ich weiß immer, wo ich hin wollte und ja, das ist manchmal anstrengend, aber alles andere wäre noch anstrengender. Man muss sich schon fragen, wie ernst ist es einem mit dem Schreiben? Denn es ist nicht nur schön zu schreiben. Ich glaube, dass es zum Erfolg auch gehört, dass man weiterwächst, sich weiterentwickelt als Autor, und natürlich auch mit Misserfolgen umgehen können muss. In diese Richtung muss man schon eine sehr hohe Bereitschaft mitbringen, wenn man sagt, das mache ich jetzt zu meinem Lebensjob.

Wie ist Ihr Verhältnis zwischen Schreiben und Literaturbetrieb?
Ich versuche, meine Schreibzeit sehr intensiv zu nutzen und wenig Anderes zu machen, weil ich mich wirklich sehr konzentrieren muss. Prinzipiell gibt es bei mir eine Schreibphase von etwa neun Monaten, in der ich versuche, mir möglichst viel Raum zu schaufeln; dann werde ich auch für Freunde etwas unleidlich oder wortkarg. Dann gibt es die Lektoratsphase, in der man sehr viel Kontakt hat, ähnlich wie in der Recherchephase, und dann kommt irgendwann die Lesungsphase. Dieser Wechsel zwischen Einsamkeit und dem plötzlichen überwältigenden Feedback ist manchmal extrem.

Was fasziniert Sie ganz persönlich an Kriminalgeschichten?
Im Moment schreibe ich einen Nicht-Krimi, aber was mich am Kriminalroman fasziniert sind die großen, existenziellen Fragen von Leben und Tod. Man ist immer direkt drin, es gibt ja nichts Schlimmeres als ein Kapitalverbrechen. Diese Konfrontation mit der eigenen Sterblichkeit, diese Erschütterung, die ein gewaltsamer Tod im Leben der Figuren auslöst, die Abgründe – das ist es, was mich am Genre interessiert. Das Krimigenre ist für den Anfang des Schreibens sehr gut gewesen, weil es sehr viel Disziplin erfordert, eine Geschichte zu konstruieren. Das ist einerseits sehr anstrengend, gibt aber andererseits einen Rahmen. Man hat ja doch immer eine Ermittlung zu führen. Wenn man sagt: „Ich schreibe einen Roman über das Leben“, kann man sich schnell verheddern.

Gibt es Trends im Krimibereich? Was suchen Verlage?
Ich glaube, es ist ziemlich sinnlos zu versuchen, Trends rauszukriegen. Ich versuche meine Stoffe danach zu finden, ob sie in mir wirklich etwas zum Klingen bringen. Ich habe viele Ideen, mit denen spiele ich, und bei irgendeiner Idee merke ich, dass ich zunächst selbst total angefixt bin. Dann kriege ich vielleicht noch einen gesellschaftlichen Dreh, aber vor allem geht es darum, dass mich dieses Thema fast körperlich packt. Alles andere würde ich nicht machen, weil es sehr qualvoll ist, so lange still zu sitzen und ein Buch zu schreiben, von dem man nicht weiß, wie erfolgreich es sein wird. Ich glaube, die einzige Chance ist, dass man schaut: Wo bin ich ganz bei mir mit der Geschichte? Die Bücher, die ich schreibe, müssen zunächst mir gefallen, alles andere muss ich akzeptieren. Mein Buch ist nicht besser oder schlechter, wenn es einen Preis kriegt, es ist auch nicht besser oder schlechter, wenn es ein Kritiker lobt oder verreißt, sondern es ist erstmal mein Buch, so wie ich es geschrieben habe. Manche Dinge muss man verdrängen, und ich darf mich nicht die ganze Zeit vergleichen, denn sonst werde ich wahnsinnig und kann keine Zeile mehr schreiben. Es geht darum, seine Stimme, seine Geschichte zu finden und die zu erzählen, und dabei möglichst gesund zu bleiben

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