Kannst du noch etwas konkreter auf das Pitchen von literarischen Romanen eingehen?
Ein Buch zu diesem Thema kann ich wirklich empfehlen: Sibylle Kurz, „Pitch it“. Mit diesem Titel haben wir uns bei Kiepenheuer & Witsch vor sechs Jahren im Lektorat beschäftigt, weil wir uns in der Kunst des Pitchens üben wollten. Gepitcht wurde ursprünglich nur in der Filmbranche; literarische Autoren pitchen in der Regel am wenigsten, denn sie kommen kaum in die Situation, wirklich vor einem Entscheidungsträger ihr Projekt vorstellen zu müssen. Das hat auch wenig Aussicht. Das passiert hin und wieder auf der Frankfurter Buchmesse, dass ein Autor vorbeikommt und mir am Stand zwischen zwei Gesprächen, die ich gerade mit einem Agenten und einem unserer Schriftsteller führe, sein Manuskript anbieten will. Da besteht das Grundproblem schon in der Kommunikationssituation. Ich bin dann nicht aufnahmebereit, im Gegenteil, ich bin sogar in einer Abwehrposition. Darum pitcht man da gegen die Wand.
Pitchen heißt ja zuallererst, dass man eine etablierte Situation hat, es ein aufmerksames Gegenüber gibt; das heißt, Autoren kommen performativ nur ganz selten in die Situation, gegenüber einem Lektor zu pitchen. Und trotzdem tun sie es dauernd, weil ein Pitch die werbende Beschreibung dessen ist, was man gerade macht. Jeder Autor wird ja immer wieder gefragt: Was schreibst du gerade? Worum geht es in deinem Buch? Der Pitch ist eine Kurzversion, die zumindest den Eindruck erwecken soll, man macht da etwas Sinnvolles und Spannendes und ist nicht völlig abgedreht, sondern man kann in drei Sätzen über einen Roman so reden, dass man Lust hat, sich das anzusehen. In meinem Alltag wiederum sagt man den Kollegen ständig in drei, vier, fünf Sätzen, woran man gerade arbeitet.

Das Pitchen hat eine ganz wichtige Komponente – das ist die Performance. Wie tritt man auf, was zieht man an, wie stellt man sich vor, wie viel Zeit hat man, Mimik, Gestik und so weiter. Dieses Performative spielt für Autoren keine große Rolle. Tatsächlich gibt es zwei Aspekte beim Pitchen, die für Autoren wichtig sind, nämlich einmal tatsächlich das eigene Tun so zu komprimieren, das man es auf drei, vier Sätze runterbrechen kann, und die dann noch so anzulegen, dass sie beim Gegenüber etwas auslösen. Der andere Aspekt ist, und das finde ich beim Schreiben sehr wichtig, dass man das Pitchen als Selbstkontrolle verwendet. Man kann sich ja auch selbst was anpitchen, zum Beispiel den Schreiberfolg der letzten zwei Wochen, indem man sich sagt: Was ist da jetzt eigentlich passiert? An welcher Stelle habe ich weitergemacht? Wenn ich das auf den Punkt bringe und mir den Fortschritt klar machen will, muss ich mir das auch mal in zwei, drei Sätzen sagen. Figur X hat jetzt diese und jene Entwicklung gemacht und das hat jene Folgen für die Handlung. Das heißt, eigentlich ist Vieles, was man fürs Pitchen braucht, ein Instrument der Selbstkontrolle.

Man muss sich als Autor aber auch darüber Gedanken machen, wie Verlage heute arbeiten. Was passiert mit meinem Manuskript? Was passiert mit dem Buch? Autoren haben eigentlich vor allem die Hoffnung, ihr Manuskript unterzubringen, als wäre es vor allem wichtig, dass es gedruckt, zwischen zwei Buchdeckel gepackt und irgendwo hingestellt wird. Das ist aber ein Vorgang, der nicht wahnsinnig viel bringt und der faktisch mittlerweile in Verlagen auch kaum mehr stattfindet. Unsere Marketingabteilung sagt ganz klar: Ein Buch einfach nur veröffentlichen, kann man vergessen. Wir können nicht einfach sagen: Wir sind Kiepenheuer & Witsch, das sind unsere Bücher, ihr wisst ja, wer wir sind und glaubt uns, dass das auch gute Bücher sind, nehmt sie, und dann wird das schon auch im Buchhandel gehen. Das ist überhaupt nicht mehr der Fall. Verlage müssen jeden einzelnen Titel ganz besonders aufbereiten. Und bei Verlagen wie unserem, wir sind ja ein relativ kleines Haus mit 45 Mitarbeitern, und ungefähr fünfzig Novitäten im Hardcover und fünfzig Titeln im Taschenbuch pro Jahr, muss tatsächlich jedes einzelne Buch genau positioniert werden. Wir können nicht mit der Schrotflinte schießen, das machen andere Taschenbuchverlage. Rowohlt, Fischer und Goldmann haben Genres, in die stellen sie immer vier, fünf Titel pro Programm und wenn zwei durchkommen, rechnet sich das. Aber wir können nicht einfach drei Titel untergehen lassen, damit zwei höher steigen, sondern wir müssen uns ganz besondere Maßnahmen dafür ausdenken. Deswegen ist Verlagsarbeit wiederum ein ständiges Pitchen.

Das fängt schon an mit dem, was ich tue. Ich suche zwar aus, was ich veröffentliche, aber ich kann nicht allein entscheiden, sondern ich muss dafür werben. Ich muss jedes neue Projekt, das ich in den Verlag bringe, durch verschiedene Gremien bringen, etwa durch die Lektorenrunde, da sitzt der Verleger und die zuständigen Lektoren und Assistenten, also ungefähr ein gutes Dutzend Leute. Es gibt also auch für mich diese performative Situation, in der ich pitchen muss, jene vier, fünf Sätze bringen, die das Buch umreißen und die Lust machen, das Buch zu lesen. Wenn das Lektorat sagt, ja, finden wir sinnvoll, dann muss ich es durchs Marketing bringen, dann muss ich dem Marketing klarmachen, wie das Buch positioniert werden soll, wen es erreichen soll und auf welchem Wege wir es dahin bringen. Die können dann auch sagen, ja, klingt interessant, aber wir wissen, Marktanalyse haben wir gerade vorbereitend gemacht, es gibt schon fünf Bücher im selben Bereich, da kommen wir nicht mehr rein. Das heißt, das Marketing kann auch mit ganz klaren Argumenten ein Projekt zu Fall bringen. Und dann kommt noch mal die Vertriebsrunde. Das heißt, ich habe, bevor man überhaupt einen Vertrag macht, das Buch schon mindestens dreimal im Verlag gepitcht.

Die Marketingabteilung liest auch das gesamte Manuskript oder nur einen Auszug?
Ein größerer Auszug. Da werden schon hundert bis hundertfünfzig Seiten mitgelesen. Auch das muss der Lektor strategisch vorbereiten, indem man überlegt, wem es gefallen könnte und wie viel Zeit er braucht, um das zu lesen. Das wissen die natürlich auch, und es kann trotzdem daneben gehen. Mittlerweile sind wir Lektoren ziemlich hart geschult sind, was Marketing angeht. Es gab eine Zeit, da konnte man einfach argumentieren, das ist ein neuer Autor mit einer interessanten Stimme. Das ist ja quasi ein klassisches Debütargument. Wir haben da einen neuen Autor, der schreibt auf eine ganz besondere Weise. Für einen Vertreter ist das zu wenig. Der sagt: Damit kann ich doch das Buch nicht im Buchhandel vorstellen, sondern der muss eine Geschichte erzählen. Und unser Vertriebsleiter, der ja die Großkunden besucht, der sagt auch, also da muss mehr sein, das müsst ihr mir schon liefern: eine Figur, irgendein interessanter Konflikt oder bestimmte sprachliche Verfahren, die man pitchen darstellen kann – zum Beispiel hat Harriet Köhler ihren ganzen Roman in der zweiten Person Singular geschrieben, also in der Du-Ansprache, das kann sich auch ein Buchhändler irgendwie vorstellen, dass das etwas Neues ist. Aber als Lektor muss man da eben schon sehr differenziert liefern. Je besser der Autor versteht, wie Lektoren funktionieren, umso besser kann er auch an Lektoren verkaufen. Versuchen Sie mal als Autor, ihre drei USPs rauszuarbeiten, das ist nämlich gar nicht so einfach.

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