In einem Interview sagten Sie, sie konnten von Anfang an von Ihrem Schreiben leben …
Ja, weil ich ein mutiger Mensch bin und buchstäblich alles gemacht habe, was machbar war. Ich hatte aber auch die Möglichkeit dazu, ich habe viele Rundfunkfeatures geschrieben etc. Wenn damit gemeint sein sollte, dass ich von den Büchern leben konnte, kann davon keine Rede sein.

Das wäre die zweite Hälfte der Frage gewesen: Wie lange hätten Sie als Autor durchgehalten, wenn Sie keine Resonanz bekommen hätten?
Wenn ich gar nicht wahrgenommen würde und nie jemand von mir etwas gewollt hätte, hätte ich sicher aufgehört, aber so war es ja von Anfang an nicht. Vom ersten Ton an hatte ich ein Minimum an Aufmerksamkeit, und das war dann schon in Ordnung. Aber es geht ja auch nicht nur um kommerzielle Resonanz. Ich hatte bis vor nicht allzu vielen Jahren meine Bücher gar nicht in meinem Budget. Das Budget kam woanders her, von Lesungen oder Zeitungsarbeiten. Jetzt allerdings verkaufe ich ganz gut, also nehme ich das dankbar ins Budget auf.

Verträgt sich Ihrer Meinung nach eine normale Arbeit mit dem Schreiben?
So habe ich nicht gearbeitet. Sonntagsschreiberei geht nicht. Sie müssen Schriftsteller sein. Und das war ich tatsächlich von Anfang an. Es ist im Gegenteil so, dass diese eben erwähnten Arbeiten eben am Sonntag stattfinden müssen. Und das geht ja auch, insbesondere, wenn man jung und kräftig ist und sich für unsterblich hält, was dann leider irgendwann mal aufhört. Ich war natürlich nie faul.

Wichtig ist also, dass man immer im Prozess des Schreibens drin bleibt?
Ja, wenn Sie ein Buch schreiben, müssen Sie jeden Tag dran bleiben. Nulla dies sine linea, wie der Lateiner sagt. Natürlich sind Ausnahmen erlaubt.

„Schreiben ist das Ziel, nicht das Buch“, heißt der Titel des Buches, den ihr Verlag (Diogenes) zu Ihrem 70. Geburtstag herausgebracht hat. Ist Schreiben tatsächlich das Ziel? Also spielt das Produkt keine Rolle?
Natürlich geht es um das Buch am Ende, das ist ja das Ziel von allem. Aber Schreiben ist eine glücklich machende Sucht. Ich kann mir eigentlich ein Leben ohne Schreiben nicht vorstellen. Und darum sind die Wochen, in denen man ein Buch fertig hat, weil es sich nicht vermeiden ließ, insofern schwierig, als man dann dieser Wirklichkeit hilflos ausgeliefert ist, weil man nicht mehr die Alternative hat, im Kopf herumzuschweben.

Viele Autoren scheuen ja den Arbeitsprozess, lieben aber am Ende das Produkt.
Das könnte ich gar nicht sagen. Ich halte das auch für ein Klischee oder für ein Missverständnis unter den Autoren. Kafka wird ja oft zitiert als Beispiel für jammernde Autoren. Aber das stimmt natürlich nicht. Er hat sich beklagt, wenn er nicht schrieb, wenn er schrieb, dann flog seine Hand nur so über das Papier. Und Kafka war glücklich, Sie können sich darauf verlassen. Das Schreiben ist nicht das Problem, das Nichtschreiben ist das Problem.

In einem Interview sagten Sie einmal: „Glück macht nicht nur glücklich, sondern auch ein bisschen dumm.“ Waren und sind Sie in Ihrem Leben glücklich?
Naja, ich habe natürlich mein Leben damit verbracht, diesen schönen Zustand erreichen zu wollen, und zweifellos ist es mir momentweise auch gelungen. Aber Sie wissen natürlich, dass das ein Klischee ist, das Leben besteht aus viel Leid, und das lässt sich auch nicht vermeiden. Aber gäbe es den wirklich glücklichen Menschen, hätte er keine Reizthemen und keine Bedürfnisse größerer Art und das macht natürlich dumm. So macht natürlich Leiden zuweilen intelligent, aber es ist kein wünschenswerter Zustand.

Vielleicht auch eine Klischeefrage: Muss man leiden als Schriftsteller, um Themen zu haben?
Man muss nicht leiden, man hat gelitten. Ich glaube, alle großen Kunstwerke sind in Schönheit verwandeltes Leid. Aber im Buch schmerzt der Schmerz nicht mehr, sondern er hat sich verwandelt.

Was würden Sie jungen Autoren mit auf den Weg geben?

Demut.

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