Es war ein herrlich sonnenreiches Juni-Wochenende an einem traditionsreichen Ort beim Seminar „Geschichte(n) erzählen“ in Zürich. Die Bibliothek der James Joyce Foundation atmet große Vergangenheit – mehrmals pro Monat liest man hier gemeinsam in den Texten des irischen Dichters, der 1941 in Zürich gestorben ist. Am Samstagabend, nach dem intensiven Gespräch über die Texte der Teilnehmer: ein Spaziergang zum Zürisee, ein Glas Wein und ein Bummel vorbei an reichlich ausgestatteten Juwelierläden à la Bulgari und Prada. Zürich ist – trotz Bankenkrise – immer noch eine Stadt des Geldes, das spürt man auf Schritt und Tritt. Aber auch eine Stadt der Musik, mit ungeheuer viel Charme und Internationalität. Seit 1992 lebt hier die gebürtige Norddeutsche Sabine Dörlemann. Nach Stationen bei Haffmanns und Amman hat sie 2003 ihren eigenen Verlag gegründet, der stark auf Geschichten aus dem 20. Jahrhundert setzt. „Ich finde es besser, einen hervorragenden alten Text zu verlegen, als einen mittelmäßigen neuen“, sagt die Verlegerin.

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Beim gemeinsamen Abendessen: Sabine Dörlemann


Sie sind Verlegerin, haben aber auch lange Zeit als Lektorin gearbeitet. Wie verlief Ihr Weg zum eigenen Verlag?
Ich habe Anglistik, Politik und Philosophie studiert und war als Schülerin lange in Amerika. Deshalb habe ich auch eine große Vorliebe für englischsprachige Literatur, was sich in meinem Verlagsprogramm ausdrückt und in meiner Vorliebe für Texte, die plot-driven sind. Ich lege großen Wert auf die Qualität der Sprache, aber ein Text sollte eine Spannung aufbauen – auch das Kreisen einer Fliege über dem Glas kann spannend erzählt werden. Ich habe dann in einem Volontariat bei Carlsen in Hamburg erste Verlagserfahrung gesammelt, lange bevor der Verlag der Harry-Potter-Verlag wurde. Dort habe ich eine Zeitlang Pixibriefe geschrieben (lacht). 1992 bin ich dann nach Zürich gekommen, habe anderthalb Jahre bei Haffmanns gearbeitet, anschließend sieben Jahre im Amman Verlag, der dieses Jahr leider seine Pforten schließen wird. 2003 habe ich mich selbstständig gemacht.

Wie war der Start mit Ihrem Verlag?
2003 ist das erste Programm erschienen, darunter auch ein kleiner Text in der Übersetzung von Swetlana Geier: Iwan Bunin: Ein unbekannter Freund. Und wie der Zufall es wollte, hat Frau Heidenreich damals gerade mit ihrer Sendung angefangen und zum Buchmesseschwerpunkt Russland den „Unbekannten Freund“ als allererstes präsentiert, was zur Folge hatte, dass der Titel auf Platz 13 der Spiegel-Bestsellerliste gelandet ist. Das ist natürlich ein Traumstart für einen Verleger. Hinterher ging es relativ schnell „back to normal“. Jetzt gibt es uns schon sieben Jahre. Aufgrund meines eigenen Schwerpunkts liebe ich englischsprachige Literatur, aber im Verlag findet sich Literatur aus aller Welt - relativ wenige deutschsprachige Autoren. Das heißt aber nicht, dass ich kein Interesse an deutschsprachiger Literatur habe, sondern eher, dass die Latte sehr hoch liegt. Wenn man den ganzen Tag Weltautoren liest und neu übersetzt, dann ist es  natürlich schwierig, daneben für einen Erstling zu bestehen.

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"Würstli im Schelleli" - die Schweizer und ihr Hang zur Verniedlichungsform.

 

Wie kommen die Manuskripte in den Dörlemann Verlag? Suchen Sie selbst, bekommen Sie Manuskripte zugeschickt?
Wir bekommen etwa zwei Manuskripte pro Tag, also etwa 50 pro Monat. Es beschleunigt sich in letzter Zeit immer mehr, so mein Gefühl, weil es immer einfacher wird, Manuskripte oder Exposés zuzusenden. Was ich jedem raten kann, ist, sich rechtzeitig mit anderen Autoren auszutauschen, denn es kann von Verlagen nicht mehr geleistet werden, fundiertes Feedback zu geben. Aber wir prüfen jedes Manuskript, wobei sicher nicht alles zu Ende gelesen wird. Ein Kollege von mir sagt immer: Man muss das Ei nicht aufessen, um zu sehen, dass es faul ist.

Wie sollte die Bewerbung aussehen? Anschreiben, Exposé, Textauszug?
Im Anschreiben etwas zur Person, wer bin ich, was mache ich, warum schreibe ich gerade an diesen Verlag, wobei ich keine Elogen auf den Verlag hören möchte, sondern einfach sehen möchte, dass der Autor die Programmstruktur und -ausrichtung verstanden hat. Ein Exposé ist sehr hilfreich, damit man sieht, wohin der Text geht; dann reichen mir zwanzig Seiten Textprobe, bei Interesse fordere ich den Rest des Manuskripts an.

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Traditionsreicher Ort: Die Bibliothek der James Joyce Foundation

 

Was ist für Sie eine gute Geschichte?
Eine gute Geschichte unterhält mich, rüttelt mich auf, berührt mich; ein Text muss mich mitnehmen, es muss mich reizen, ihn weiterzulesen. Es gibt natürlich für verschiedene Lebenssituationen verschiedene Texte. Wenn ich vor dreißig Jahren noch Joyce in die Ecke gefeuert hätte, dann ist das heute eine ganz andere Situation. Genauso kann es einem auch mit einfacheren Texten gehen, dass man nicht in der Stimmung ist, über den Tod zu lesen, wenn es einem gerade gut gehen, oder etwas zum Thema Kindstod, wenn man selbst gerade ein Kind verloren hat. Wobei man aber sagen muss, dass sich in Jurys meistens alle sehr schnell einig sind über die Qualität von Texten. Selbst wenn einen ein Thema nicht reizt, kann es gut umgesetzt sein.

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Der Zürisee bei hereinbrechender Nacht

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