Die Fritz Agency ist eine der wichtigsten Literaturagenturen in der Schweiz, aber auch international. Sie vertreten die Rechte von Autoren wie Stephen King, Ian McEwan oder Patricia Cornwall, das heißt, Sie drehen jeden Tag am ganz großen Rechte-Rad?
Es wäre schön, wenn es so wäre. Das ganz große Rechterad drehen wir vielleicht zwei, drei Mal im Jahr. Das große Rad, zum Beispiel wenn wir sechsstellige Vorschüsse verhandeln, etwas öfter, meistens vor den großen Buchmessen (Frankfurt und London). Die tägliche Arbeit jedoch besteht in der zeitaufwendigen Vermittlung von Lizenzen für wenige tausend Euro. Ganz aktuell beschäftige ich mich täglich mit Verträgen für reine Ebook-Veröffentlichungen von Backlisttiteln. Solche Verträge machen viel Arbeit und bringen erst einmal gar nichts, weil sie in der Regel ohne Vorschuss abgeschlossen werden. Sie sind, um im Bild zu bleiben, das kleinste denkbare Rechte-Rad.
 
Agenturen sind Teil des bestehenden Verlags- und Vertriebssystems. Inwieweit betreffen die Umwälzungen der Branche das Berufsbild des Agenten?
Ganz unmittelbar und massiv. Die Verlage, also unsere Kunden, sind ja an mehreren Fronten gefordert: Die Filialisten reduzieren oder schließen große Verkaufsflächen, was zu Veränderungen im traditionellen Vertrieb und Verkauf gedruckter Bücher führt. Gleichzeitig wird das Ebook-Geschäft schnell und breit ausgebaut, was kostenintensiv ist, bei derzeit noch relativ bescheidenen Umsätzen und, im Vergleich zu gedruckten Büchern, geringerer Wertschöpfung. Beides lässt die Verlage noch genauer rechnen und kalkulieren, noch vorsichtiger einkaufen, die Programme tendenziell noch kleiner machen und noch stärker auf Spitzentitel ausrichten. All das hat Auswirkungen auf die Akquise von Rechten, sowohl Original- wie Lizenzrechten, und damit auf das Geschäft der Agenturen. (Self-publishing ist ebenfalls eine potentielle Gefahr für das traditionelle Geschäftsmodell der Verlage, gerade wenn die größten Handelspartner der Verlage - Amazon, Apple, Google - beteiligt sind. Doch es gibt zum Glück immer noch große Unterschiede zwischen dem Jekami des Self-publishing und dem, was die Verlage tun.) Im Zuge dieser Umwälzungen muss der Agent noch stärker als früher dafür sorgen, dass sich seine Autoren durchsetzen, gerade auch verlagsintern. Ein guter Agent ist der Lobbyist seiner Autoren auch nach dem Vertragsabschluss, er mischt sich ein, er fordert und fördert, damit seine Autoren (und nicht die anderen) die größtmögliche Aufmerksamkeit des Verlags erhalten.
 
Was war der letzte Abschluss, den Sie getätigt haben? Und wie haben Sie das Projekt einem Verlag schmackhaft gemacht?
Das war mein erster Einzelvertrag für eine reine Ebook-Publikation (ohne Vorschuss notabene): "Sadomasochismus und brennende Liebe - Eine Leseanleitung zu Fifty Shades of Grey" des kanadischen Medizinhistorikers Edward Shorter (ein Auszug aus seinem Werk "Written in the Flesh - A History of Desire). Der Vertrag geht auf ein Gespräch mit dem Lektor an der Buchmesse in Frankfurt zurück. Thema und Anlass für die Publikation liegen auf der Hand, doch in diesem Fall hat die Gelegenheit des persönlichen Gesprächs an der Messe die Idee zünden lassen.
 
Verlagslektoren erwarten heute oft fertige Manuskripte. Eine echte, langfristige Begleitung können viele Verlage nicht mehr leisten. Wieviel Arbeit stecken Sie selbst noch in hoffnungsvolle Autoren? In welchem Umfang können Sie Lektorat leisten?
Zunächst: Ich bin Agent, nicht Lektor. Meine Aufgabe ist es, die Interessen der Autoren zu vertreten, nicht, ihre Manuskripte zu lektorieren. Aber es ist schon richtig: Wenn ein Sachbuchexposé nicht den Standards und den Erwartungen des Lektorats genügt, wird es kaum ernsthaft geprüft; hier muss der Agent dafür sorgen, dass die Autorin ihr Material richtig aufbereitet. Und ein Romanmanuskript darf, bei allem Potential, nicht unfertig wirken, sonst wird es gern mit der Begründung abgelehnt, dass noch zu viel Arbeit investiert werden müsste. Meine Arbeit mit Autoren richtet sich denn auch eher auf die Beratung in formalen Fragen und auf die großen inhaltlichen Zusammenhänge. Das können durchaus längere Gespräche über Plot, Figuren, Stil- und Formfragen sein, ohne dass ich dabei ins Detail der eigentlichen Lektoratsarbeit gehe.

Vielen Dank.



Im April 2013 gibt Christian Dittus für die Textmanufaktur ein Tagesseminar: http://www.text-manufaktur.de/anmeldung/events/kurs-13-07.html

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