Frau Reinhardt, ist aus der Beziehung zwischen Autor und Verlag eine Dreiecksbeziehung geworden?
Ja, das kann man so sagen. Es gibt nach wie vor auch sehr enge Beziehungen zwischen Autoren und ihren Lektoren. Aber in den Lektoraten ist auch viel in Bewegung. Wenn ein Lektor beispielsweise in einen anderen Verlag wechselt, kann es für den Autor hilfreich sein, mit dem Agenten noch einen weiteren Ansprechpartner zu haben. Viele Entscheidungen werden im Dreieck von Autor, Agent und Verlag getroffen. Beim Klappentext, dem Cover oder dem Titel beispielsweise gibt es eine Person mehr, die drauf schaut.

Dreiecksbeziehungen sind manchmal kompliziert – auch in diesem Fall?
Ich erlebe das nicht als kompliziert, sondern eher so, dass man Hand in Hand arbeitet. Natürlich hat der Autor, vertreten durch die Agentur, manchmal andere Interessen als der Verlag – zum Beispiel, wenn es ums Finanzielle geht. Aber Agentur und Verlag stehen ja nicht in Konkurrenz zueinander, sondern erfüllen unterschiedliche Aufgaben, die sich ergänzen.

Im Dreieck Verlag, Agentur, Autor – verstehen Sie sich da als Anwalt und Unterstützer des Autors, auch über die Vertragsverhandlungen hinaus?
Auf jeden Fall. Wir sind ja die Agentur des Autors. Aber wie gesagt: Es geht gar nicht ständig darum, dass es zwei Seiten gibt, sondern man sucht gemeinsam nach dem besten Weg. Unsere Aufgabe als Agentur ist es ja erst einmal, die Dreiecksbeziehung überhaupt ins Leben zu rufen. In der Regel sind die Autoren bei uns, bevor sie einen Verlag haben. Wenn ein Verlag Interesse an einem Manuskript hat, handeln wir einen Vertrag aus – natürlich immer mit den Interessen und Wünschen des Autors im Hinterkopf. Wie es dann weitergeht, hängt von der Beziehung zwischen Autor und Verlag ab. Manchmal begleiten wir das Lektorat sehr eng oder überlegen gemeinsam mit der Pressestelle, wie man das Buch platzieren kann. Wenn es um den Buchtitel und das Cover geht, sind wir eigentlich immer mit dabei.
 
Und wie sieht es mit der Arbeit am Text aus? Gehört das auch zu Ihren Aufgaben?  
Wenn wir für einen neuen Autor einen Verlag suchen, machen wir vorher oft sehr viel Textarbeit. Das ist kein Feinlektorat bis zum letzten Wort und Komma, sondern wir schauen uns den Text eher auf der strukturellen Ebene an.

Sie bekommen also ein Manuskript, und dann …
… dann sage ich zum Beispiel: Das ist super, aber halb so lang wie es sein muss. Das ist das Kondensat eines Textes, das Sie weiter ausbauen können. Denn ein Hundertseitenbuch ist schwer zu realisieren und auch dem Text würde es gut tun, noch zu wachsen. Oder – der wahrscheinlich sehr viel häufigere Fall: Der Text ist super, sollte aber noch gekürzt werden. Manchmal gibt es zu viele Figuren, so dass man einzelne Figuren vielleicht zusammenlegen oder streichen kann. Aber so pauschal ist das natürlich nicht zu sagen, jeder Text braucht ja etwas anderes.

Was raten Sie einem Debütautoren, der sein erstes Buch veröffentlichen will – eine Agentur zu kontaktieren oder es direkt bei den Verlagen zu versuchen?
Die meisten Autoren nehmen heute den Weg über eine Agentur. Ich würde auch diesen Weg wählen, das aber niemandem aufdrängen. Ein Autor kann sich auch direkt an den Verlag wenden, aber es wird immer schwieriger, dort Gehör zu finden. Und Autoren sollten wissen: Wenn sie selbst an die Verlage herantreten, dann ist der Weg über eine Agentur anschließend kaum noch möglich. Denn wenn jemand sein Manuskript schon 20 großen Publikumsverlagen geschickt hat, können wir es diesen Verlagen nicht mehr anbieten.

Sie bekommen viele Manuskripte von Debütautoren. Wie gut sind die Aussichten, bei Ihnen in der Agentur unterzukommen?
Es wird nicht aus jedem zweiten Manuskript, das wir bekommen, ein Roman. Tatsächlich sind es nur sehr wenige, die den Weg in die großen Publikumsverlage finden. Trotzdem schauen wir uns jedes Manuskript mit Spaß und Respekt an. Ich finde, wenn man jeden Tag mit Texten zu tun hat, darf man nicht vergessen: Es ist ein großer Wert, wenn Leute schreiben und es ist schön, dass so viel geschrieben wird. – Zugleich passen nur wenige dieser Text in die großen Verlage.

Wie sieht es mit alternativen Wegen aus? Betreuen Sie Autoren auch auf dem Weg zum Selfpublishing?
Selfpublishing, E-Books, Books on Demand – in diesem Bereich ist unheimlich viel in Bewegung. Mit unseren Stamm-Autoren haben wir einige Versuchsballons bei digitalen Verlagen gestartet. Dabei haben wir die Erfahrung gemacht, dass sich dieser Bereich sehr langsam entwickelt, viel langsamer etwa als in der Musikbranche. Wir alle sollten diesen Bereich im Auge behalten und uns weiter auf den neuen Feldern ausprobieren. Im Moment sind es aber doch noch die klassischen Wege, die meist am besten funktionieren.

Hanne Reinhardt, 1980 in Marburg geboren, studierte Kulturwissenschaft, Philosophie und Soziologie in Berlin. Neben Stationen bei den Ullstein Buchverlagen, der Literarischen Welt und dem Literarischen Colloquium Berlin war sie als freie Lektorin und Ghostwriterin tätig. Seit 2001 arbeitet sie für die Literarische Agentur Simon.

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