Agnes Gerstenberg
Dialoge sind etwas Lebendiges
Agnes Gerstenberg ist Autorin, Lektorin und Dramaturgin. Dialoge sind für sie eine Herzenssache, auf der Bühne ebenso wie im Roman. Wie Figuren natürlich sprechen und warum Schreibende über Dialoge sprechen sollten, erzählt Agnes Gerstenberg hier.
Agnes Gerstenberg, Sie haben als Dramaturgin und Theaterpädagogin gearbeitet, vergangenes Jahr ist Ihr erster Roman erschienen. Wie sind Sie von der Bühne zum Buch gekommen?
Gelesen habe ich schon immer. So gesehen bin ich vom Buch zur Bühne und wieder zum Buch gekommen. Mein Debütroman „Unberührt“ war auch zuerst ein Theaterstück.
Dialoge sind auf der Bühne das zentrale Element. Welche Rolle spielen sie in der Prosaliteratur?
Das Theater lebt vor allem vom gesprochenen Wort. In der Prosa ist der Dialog ein Stilmittel von vielen und deshalb reduzierter als auf der Bühne. Gute Dialoge sind aber immer ein Gewinn. Zum Beispiel wenn eine Figur, die zuvor nur beschrieben wurde, plötzlich spricht. Das kann überraschend sein und Spannung erzeugen.
Was kennzeichnet einen guten Dialog – ob auf der Bühne oder im Buch?
Es geht darum, eine lebendige Sprache entstehen zu lassen, die Figuren zu charakterisieren und die Handlung voranzutreiben. Im Dialog verwenden wir nicht eins zu eins die Sprache, wie wir sie auf der Straße hören. Aber es ist auch nicht die Schriftsprache, wie beispielsweise in beschreibenden oder zusammenfassenden Passagen eines Romans. Ein guter Dialog ist in einer Kunstsprache geschrieben, die trotzdem natürlich klingt.
Wie profitieren Sie bei der Arbeit mit Prosatexten von Ihrer Erfahrung am Theater?
Schreiben ist ja per se etwas sehr Einsames. Meistens sitzt man allein zu Hause am Schreibtisch. Am Theater ist man immer im Austausch, da entsteht Reibung und die härtet ab. Zu wissen, dass ein Kunstwerk aus einem Prozess heraus entsteht und nur selten ein schneller Geniestreich ist – das hilft, kritikfähig zu bleiben und geduldig mit der eigenen Arbeit zu sein. Deshalb ist es mir auch bei der Entwicklung von Prosatexten wichtig, mit anderen im Gespräch zu sein. Ich habe viele Workshops zum kreativen und szenischen Schreiben als Teilnehmerin besucht und als Dozentin oft in Gruppen unterrichtet. Dabei habe ich die Erfahrung gemacht, dass man auch aus den Besprechungen fremder Texte etwas für das eigene Schreiben mitnimmt. Weil man da unbefangener reden, denken und zuhören kann. Sich im Seminar gegenseitig vorlesen, seine Eindrücke schildern – das ist ja auch eine Form des Dialogs.
Warum sind gute Dialoge so wichtig?
Natürlich kann man einen Roman auch ohne Dialoge schreiben. Einige Autorinnen und Autoren setzen das bewusst als Stilmittel ein. Richtig angewandt ist der Dialog aber ein sehr reizvolles Textelement. Dialoge sind etwas Lebendiges und werden oft unterschätzt. Sie können, als Teil einer Szene, für die Handlung elementar sein. Auch für die Identifikation mit einer Figur, die sich ja durch ihre Wortwahl und den Zeitpunkt, den sie zum Sprechen wählt, nahbar zeigt. Dialoge haben die Macht und die Fähigkeit, die Leserinnen und Leser regelrecht in das Geschehen hineinzuziehen.
Was sind häufige Fehler beim Schreiben von Dialogen – und wie kann man sie vermeiden?
Es passiert leicht, dass die Sprache einer Figur hölzern klingt, alle Figuren denselben Tonfall haben oder viel zu viel erklären. Dem komme ich auf die Spur, indem ich meinen Dialog laut lese oder auch von jemand anderem lesen lasse. Ich kann mich fragen, was meine Figur eigentlich sagen würde. Passen der Inhalt ihrer Rede und die Ausdrucksweise zu der Charakterbeschreibung, die ich für sie entwickelt habe? Ein weiterer Punkt: Manchmal ist es schwierig, einen Dialog organisch in den Text einzubetten. Formulierungen wie „sagte sie“ oder „fragte er“ können den Lesefluss stören. Dafür gilt es, kreative Alternativen zu finden. Oft wird ja schon aus dem Zusammenhang klar, wer gerade redet.
Haben Sie noch einen Tipp für Schreibende, die mit den Dialogen in ihrem Text kämpfen?
Dialoge können Spaß machen! Es ist gut, mutig draufloszuschreiben und die Figuren ins Reden zu bringen. Das muss nicht perfekt sein. Es geht darum, erstmal auszuprobieren. Später kann man das Vorhandene nochmals lesen, überarbeiten oder mit anderen darüber sprechen. Wie bei einer Improvisation im Theater.
Dies könnte Sie auch interessieren
Keine Artikel gefunden.
Bitte versuchen Sie es mit anderen Suchkriterien.