Persönliche Geschichten setzen sich als Sachbuch durch

Das Autorenduo Ule Hansen im Gespräch über populäre Sachbücher

Astrid Ule und Eric T. Hansen schreiben als Autorenduo, unter anderem populäre Sachbücher. Dass sie nicht immer einer Meinung sind, gehört zu ihrem Erfolgsrezept. Denn Themen, über die man herrlich streiten kann, sind für das nächste Sachbuch genau richtig! Ein Gespräch über Yoga mit Hund und Amerika-Klischees, Expertenwissen und den persönlichen Blickwinkel.

Astrid Ule und Eric T. Hansen, Sie haben mehrere Sachbücher veröffentlicht, unter anderem den Bestseller „Planet Germany“. Muss man Expertin oder Experte sein, um ein populäres Sachbuch zu schreiben?
Eric T. Hansen:
Nein, aber man sollte sich in dem Themenfeld gut auskennen, zum Beispiel in dem Bereich arbeiten.
Astrid Ule: Es kann auch ein Thema sein, mit dem ich mich seit Jahren ehrenamtlich beschäftige, das mir total am Herzen liegt. Was ich ganz wichtig finde: Dass ich weiß, wie ich echte Experten finde und mit ihnen spreche. 

Wenn ich Gespräche mit Experten führe, kann ich die Informationen dann einfach in meinem Buch verwenden oder muss ich das abstimmen?
Eric T. Hansen:
Allgemeine Hintergrundinformationen aus einem Gespräch kann man bedenkenlos im Buch verwenden. Meinungen oder Einschätzungen eines Experten muss ich aber als Zitat kennzeichnen. Wenn der Gesprächspartner das wünscht, legt man ihm die Zitate vor der Veröffentlichung nochmal vor. Die Leser erwarten in einem Sachbuch Expertenwissen, auch darum sind Zitate wichtig, sofern ich nicht selbst Experte auf meinem Gebiet bin. 
Astrid Ule: Man sollte keine Scheu davor haben, die Koryphäen des Fachs für ein Interview anzufragen. Die meisten Experten geben gern Interviews. Ich würde sagen, in zwei Dritteln der Fälle hat man mit seinen Anfragen auch Erfolg und kann sich viel umständliche Recherchearbeit sparen. Denn in Gesprächen bekommt man oft auch Hinweise auf wichtige Studien oder Fachartikel.

Viele Menschen haben Hobbies oder Lieblingsthemen. Aber wie finde ich heraus, ob das auch ein breites Publikum interessiert?
Eric T. Hansen:
Natürlich sollte man online und in Buchhandlungen recherchieren: Was gibt es schon zu dem Thema? Welche Aspekte könnte ich vielleicht herausgreifen, welche besondere Perspektive wählen? Auch Themen wie Yoga, zu denen es schon massenweise Bücher gibt, können dann interessant sein. Denn Verlage suchen jedes Jahr wieder ein neues Buch über Yoga – selbst wenn das beste vielleicht längst geschrieben wurde.
Astrid Ule: Man greift sich vielleicht einen besonderen Aspekt heraus, wie Yoga mit Hund oder Yoga mit Kleinkind.

Wie gehen Sie an Ihre Themen heran?
Eric T. Hansen:
Wir arbeiten in unseren Büchern sehr viel mit der persönlichen Leseransprache. Eigentlich schreiben wir über Themen, zu denen fast jeder etwas sagen kann. Aber wir suchen einen Blickwinkel, der nicht besetzt ist und vielleicht auch erstmal nicht naheliegend erscheint. Zum Beispiel in „Planet Germany“: Da haben wir Deutschland aus meiner Perspektive angeschaut, der Perspektive eines Außenseiters, eines Amerikaners in Deutschland.
Astrid Ule: Ich glaube, es sind die persönlichen Geschichten, die sich immer wieder auf dem Markt durchsetzen. Die wollen wir alle hören, von mir aus zum immer gleichen Thema. Durch den individuellen Blickwinkel wird es immer wieder anders und besonders.

Nicht jeder hat die Welt umsegelt oder als ehemaliger Manager seine Berufung zum Yoga-Guru entdeckt. Muss die persönliche Geschichte spektakulär sein oder geht es auch eine Nummer normaler?
Eric T. Hansen:
Es muss nicht die große, außergewöhnliche Reise sein. Jeder von uns trägt eine oder mehrere interessante Geschichten mit sich herum. Man muss sie nur aufspüren und herausfinden, was daran erzählenswert ist. Solche persönlichen Sachbücher lassen sich in der Regel auch verkaufen. 

Wie haben Sie Ihre persönlichen Geschichten gefunden?  
Eric T. Hansen: Es waren oft Themen, die mich nicht losgelassen haben oder Dinge, über die ich mich immer wieder geärgert habe. Seit ich in Deutschland bin, werde ich zum Beispiel mit sehr vielen falschen Vorstellungen von Amerika konfrontiert. Und es nervt mich, dass keiner diese Bilder hinterfragt. 
Astrid Ule: Wir hatten dann so eine Auseinandersetzung, weil ich gesagt habe: Du antwortest ja gar nicht auf diese Vorstellungen, sondern wirst einfach wütend. Und wir Europäer machen uns dann eben unser eigenes Bild. Beantworte doch mal unsere Fragen! Da hast du gesagt: Gib mir halt ne Liste mit den Fragen! Ich habe daraufhin 20 Fragen aufgeschrieben, aus denen das Buch „Planet Amerika“ entstanden ist. – Dinge, die einen wirklich beschäftigen, einen an der Ehre packen, sind also ein guter Aufhänger, um darüber zu schreiben. Aber auch, wenn ich von etwas total begeistert bin, kann das ein tolles Thema für ein persönliches Sachbuch sein.

Wenn ich mein Thema habe, geht es an den Aufbau des Buches. Worauf sollte ich dabei achten?
Astrid Ule:
Zuerst braucht man einen Kernsatz, genau wie bei einem Romanprojekt. Das größte Problem am Anfang ist, dass man fünf Sachen auf einmal sagen will. Wir arbeiten mit der Methode: erst verdichten und das dann wieder ausweiten. Was man auf jeden Fall vermeiden sollte: Mehrere parallele Aussagen, die den Leser verwirren und den Lesegenuss schwierig machen.
Eric T. Hansen: Auch ein populäres Sachbuch erzählt eine Geschichte. Es hat einen Höhepunkt und einen roten Faden. Im Seminar arbeiten wir zuerst mit dem Kernsatz und beschäftigen uns danach mit der Gliederung und der Person des Autors. Selbst wenn ich als Autor nicht explizit im Buch in Erscheinung trete, bestimmt meine Haltung das Buch mit, zum Beispiel, weil ich Dinge hervorhebe oder weglasse. Schließlich ist es wichtig, die Leser im Blick zu haben. Denn die möchten mit Wohlwollen und Respekt behandelt werden. Nur dann werden sie das Buch auch bis zum Ende lesen.

 

Eric T. Hansen

Eric T. Hansen ist Schriftsteller, Journalist und Sachbuchautor, der sein halbes Leben in Deutschland lebte, heute in Berlin. Geboren in Washington, aufgewachsen in Kailua, Hawaii, lernte er Deutschland als mormonischer Missionar kennen – 1989 trat er aus dieser Kirche aus. Hansen studierte Linguistik und Literatur des deutschen Mittelalters, …
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