

»Inhaliert eure Epoche.«
Die Autorin Jeanette Limbeck im Gespräch
Die Autorin Jeanette Limbeck schreibt historische Romane – und das erfolgreich. Im Interview erzählt sie von der Verlagssuche, vom Eintauchen in eine Epoche und verrät, wie viel Wahrheit in ihrem Liebesroman über Robespierre und Éléonore Duplay steckt.
Jeanette, aktuell ist Dein Roman »Die Farben der Revolution« bei Droemer Knaur erschienen. Darin erzählst Du die Liebesgeschichte von Éléonore Duplay und Maximilien Robespierre. Gab es einen besonderen Anlass, über dieses Thema zu schreiben?
Ehrlich gesagt kam dieser Roman zur Unzeit. Ich war intensiv mit meinem ersten Roman über eine Gruppe sowjetischer Kampfpilotinnen im Zweiten Weltkrieg beschäftigt. Während einer Parisreise stieß ich im Musée Carnavalet zufällig auf ein anonymes Porträt von Robespierre und dann auf das Selbstporträt der Malerin Éléonore Duplay. Eine kurze Internetrecherche ergab, dass sie möglicherweise mit ihm verlobt gewesen war. Na, so ein Zufall, dachte ich und verwickelte das arglose Museumspersonal in meinem mittelmäßigen Französisch in ein Gespräch darüber, ob vielleicht Éléonore die unbekannte Urheberin seines Porträts war. Diese Frage konnte ich an dem Abend nicht klären, aber dafür eine andere: Mit welchem Stoff ich mich nach den »Fliegerinnen« beschäftigen würde.
Du lässt Robespierre als klugen und idealistischen Kämpfer für die Demokratie auftreten. Das entspricht so gar nicht dem verbreiteten Bild vom Anführer der jakobinischen Schreckensherrschaft. Worin liegt dieser Zugang begründet?
In der Realität. Robespierre war ein sehr intelligenter Mensch und ein leidenschaftlicher Idealist. Sein persönlicher Ehrgeiz war weit weniger ausgeprägt, als ihm später nachgesagt wurde. Unser Wissen über Robespierre ist stark gefärbt von den Zeugnissen seiner Gegner nach seinem Tod. Damit will ich nicht sagen, er sei ein völlig verkanntes Opfer der Umstände gewesen. Robespierre war einer der Architekten des Terrors und mitverantwortlich für dessen Eskalation. Aber er hatte weder formal noch de facto je die Macht eines Diktators. Mir war auch von Anfang an bewusst, dass ich hier – gerade im deutschsprachigen Raum – gegen ein tradiertes Geschichtsbild anschreibe.
Éléonore begegnet uns im Roman als selbstbewusste und eigenständige junge Frau, die frei ihre Meinung sagt. Wie viel historisch verbürgte Wahrheit und wie viel Dichtung stecken in dieser Figur?
Man weiß tatsächlich nur wenig über Éléonore als Person. Überliefert ist unter anderem, dass sie mit ihren politischen Ansichten nicht hinter dem Berg hielt und sich auch in ihrer Beziehung zu Robespierre zu behaupten wusste. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass diese Charakterzüge ein wenig übertrieben dargestellt wurden, um ihn zu diskreditieren. Wenn Robespierres Gegner sie als besonders selbstbewusst und geradeheraus schildern, während die ihm wohlgesinnteren Schreiber ihre häusliche und auch tragische Seite betonen, sagt das wohl mehr über das Frauenbild im 19. Jahrhundert aus als über Éléonore selbst. Andererseits ist da ihr Selbstporträt: Man braucht der Frau auf dem Bild nur einmal in die Augen zu sehen, um zu wissen, dass sie kein Fußabtreter war, für niemanden.
Welche Rolle spielte die Textmanufaktur im Schreibprozess Deines Romans?
Richtig ans Werk gemacht habe ich mich ab 2021. Das fiel mit meiner Entdeckung der Textmanufaktur zusammen. In meinem ersten Kurs bei Volker Jarck haben wir eine frühe Anfangsszene des Romans besprochen, die so inzwischen nicht mehr im Buch enthalten ist. Zuletzt habe ich »Schreiben mit systemischen Tools« als Jahresklasse bei Gesina Stärz besucht. Die Arbeit mit diesen Tools, die eigentlich für das systemische Coaching entwickelt wurden, war in zweifacher Hinsicht interessant. Denn sie lassen sich sowohl bei der Entwicklung von Romanfiguren anwenden als auch für Probleme, die im Schreibprozess auftreten können.
Auf welche Probleme bist Du beim Schreiben gestoßen?
Ich bin ziemlich dickköpfig. Wenn ich im Schreibprozess an einem Punkt bin, an dem ich immer mehr Zeit und Kraft für immer weniger Output aufwenden muss, will ich das meistens nicht einsehen und verdopple meine Anstrengungen. Eigentlich wäre das Gegenteil angebracht: Rausgehen aus dem Text und ihn erst einmal in Ruhe lassen. Aber es dauert immer eine Weile, bis ich mir eingestehe, dass dieser Punkt erreicht und morgen oder in drei Wochen auch noch ein Tag ist.
Eine Veröffentlichung bei einem großen Publikumsverlag wie Droemer-Knaur – das wünschen sich viele Autorinnen und Autoren. Wie hat das geklappt?
Die Verlagssuche war nicht einfach, da will ich nichts beschönigen. Die Hürden sind hoch, besonders im historischen Genre, wenn man nicht gerade ein Trendthema bedient. Aber es genügt eine einzige Person, die das Potenzial des Buches erkennt und sich im Verlag dafür stark macht. Die zu finden, erfordert natürlich Glück, aber manche Dinge sind auch Planungssache. Ich habe beide Male mit einer Agentin zusammengearbeitet, die auch meinen nächsten Roman betreut. Das war für mich auch psychologisch sehr wichtig. Ich muss den Kopf frei haben für meine eigentliche Aufgabe, das Schreiben.
Hast Du noch einen Tipp für Debütautorinnen und -autoren, die ihren historischen Roman auf dem Buchmarkt platzieren wollen?
Inhaliert eure Epoche. Man entwickelt irgendwann ein Gespür dafür, welche innere Logik, welches Mindset dem Handeln der Menschen zugrunde lag. Das ging mir mit der Stalinära so und mit der Französischen Revolution. Es geht darum, die Zeit und die Menschen, die in ihr lebten, wirklich zu durchdringen: Was war ihnen wichtig, was hatte für sie Bedeutung und wie weit waren sie bereit zu gehen, um es zu schützen und zu verteidigen? Darin liegt eine wichtige Inspirationsquelle für Romanfiguren und ihr Handeln.

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