Julia Hoch
Den ersten Roman zu schreiben ist ein Marathon
Die Autorin Julia Hoch muss es wissen. Nach ihrem Debüt »LebensWende« ist im Februar ihr zweiter Roman »Frau Putz« erschienen. Im Interview erzählt Julia Hoch vom Weg zum ersten Buchvertrag, spricht über gute Schreibtipps, zweifelhafte Ratschläge und wie man sich selbst treu bleibt.
Julia Hoch, Ihr zweiter Roman liegt jetzt in den Buchhandlungen, herzlichen Glückwunsch! Viele Autorinnen und Autoren sagen, die Arbeit am zweiten Buch ist besonders schwer, weil die Erwartungen so hoch sind. Wie war das bei Ihnen?
Beim ersten Buch denkt man im Nachhinein: Hier hätte ich vielleicht anders formulieren, da etwas besser auf den Punkt bringen können. Ich habe mich dann schon gefragt: Bekomme ich das hin, dass mein zweites Buch sprachstilistisch noch etwas besser ist, Themen feiner ausgearbeitet sind? Erfreulicherweise waren die Reaktionen bisher sehr gut.
Sie haben am Fernstudium Prosaschreiben der Textmanufaktur teilgenommen. Welche Rolle hat das für Ihre Entwicklung als Autorin gespielt?
Eine große. Vor allem von meinem Lektor beim Fernstudium, Matthias Jügler, habe ich sehr viel gelernt. Er war in gewisser Weise der Initiator meines ersten Romans. Als ich ihm eine Kurzgeschichte für einen Wettbewerb gezeigt habe, sagte er: Das ist ein Romananfang, mach etwas daraus! Von da an habe ich intensiv an diesem Stoff gearbeitet, aus dem schließlich mein erster Roman entstanden ist. Während des Fernstudiums hat Matthias immer wieder Teile davon gelesen und schließlich auch das Exposee mit mir besprochen.
Ihre Romane sind in dem unabhängigen Ulrike Helmer Verlag erschienen, für den Sie auch arbeiten. Was war zuerst da: der Job im Verlag oder der Autorenvertrag?
Zuerst habe ich mich dort als Autorin beworben. Vor knapp zwei Jahren hat Sina Hauer mich dann gefragt, ob ich sie als Mitarbeiterin unterstützen will. Sie hatte den Verlag gerade von der Gründerin Ulrike Helmer übernommen. Nun bin ich in Teilzeit angestellt, als Allrounderin. Ich mache alles vom Lektorat bis zur Pressearbeit. Wir sind ja ein sehr kleiner Verlag.
Nochmal zurück zu Ihrem ersten Buch. Viele bewerben sich ja inzwischen bei einer Literaturagentur. Aber Sie sind direkt auf den Verlag zugegangen, oder?
Während der Coronazeit war es sehr schwierig, bei einer Agentur unterzukommen. Ich habe zum Teil sehr nette Rückmeldungen bekommen, aber kein Vertragsangebot. Alle waren verunsichert und darum kaum bereit, Debütautorinnen unter Vertrag zu nehmen. Als es mit einer Agentur nicht geklappt hat, habe ich mich sehr intensiv damit beschäftigt, wo ich mich als Autorin sehe. Auch wenn man bei den kleinen, unabhängigen Verlagen womöglich finanzielle Abstriche machen muss – mir gefällt das Selbstverständnis: Viele sehen sich als Kulturförderer und trauen sich, auch mal aus dem Mainstream auszuscheren. Der Ulrike Helmer Verlag zum Beispiel veröffentlicht literarische sowie unterhaltende Romane, vor allem von Frauen, aber auch kulturwissenschaftliche Sach- und Fachbücher. Das hat sofort gepasst, zu meinem kulturwissenschaftlichen Hintergrund und meiner Art zu erzählen.
Der Verlag schreibt sich Geschlechterdemokratie auf die Fahnen, jenseits von abstrakten Begriffen. Spielgelt sich das auch in Ihren Büchern?
Meine Protagonistinnen sind Frauen, die gesellschaftlich unsichtbar gemacht werden. Man redet ja oft vom kleinen Mann – ich will die kleine Frau zeigen. Im ersten Roman geht es um 82-jährige Zwillingsschwestern. Denn – machen wir uns nichts vor – je älter Frauen werden, desto weniger werden sie wahrgenommen. Kerstin Wischnewski, die Hauptfigur meines zweiten Romans, ist selbstständige Reinigungskraft, da ist es das Gleiche: Eine Reinigungskraft soll am besten unsichtbar sein. Mir ist es wichtig, solche Frauen mit ihrem Alltag in den Fokus zu rücken.
Wie ist Ihre Protagonistin »Frau Putz« entstanden?
Ein konkretes Vorbild für die Hauptfigur gibt es nicht. Das waren eher verschiedene Eindrücke: Eine Bekannte, die als Reinigungskraft arbeitet und die ich dabei erlebt habe. Und auch Familien in meinem Umfeld, die plötzlich selbst eine Reinigungskraft beschäftigen. Da habe ich mich gefragt: Wie werden diese Frauen wahrgenommen – oder eben auch nicht?
Haben Sie sich auch beim zweiten Buch Unterstützung von anderen Schreibenden geholt?
Die Idee und Teile des Manuskripts habe ich in mehreren Workshops der Textmanufaktur bearbeitet. Außerdem tausche ich mich mit meiner Schreibgruppe aus. Ich habe viele tolle Tipps und Impulse bekommen, zum Teil auch verrückte Ideen zur Hauptfigur und dem Plot. Irgendwann kam dann der Punkt, wo ich mir selbst auf die Finger hauen und erstmal schauen musste: Was davon will ich verwenden und was ist nicht so meins? Eine Agentin, bei der ich gepitcht habe, schlug zum Beispiel vor, in jedem Kapitel einen Putztipp unterzubringen. Da war sofort klar: Auf gar keinen Fall!
Handwerkliche Tipps sind oft sehr hilfreich, sie können aber auch verunsichern. Was würden Sie Debütautorinnen und -autoren empfehlen, die gerade um ihren ersten Roman ringen?
Den ersten Roman zu schreiben ist ein Marathon. Man sollte sich darauf einstellen, dass es lange dauern kann. Vielleicht findet man auch erst im Laufe der Zeit die eigene Erzählstimme. Ich würde das Manuskript zunächst als Entwurf sehen, der wachsen kann, mit dem man sich aber Zeit lässt. Handwerkliche Tipps sind wertvoll und wichtig. Trotzdem sollten auch Debütanten und Debütantinnen immer wieder aufs eigene Bauchgefühl hören und sich nicht verbiegen. Man darf zu Vorschlägen auch Nein sagen. Wenn das Buch dann wirklich erscheint, muss man im Idealfall hundertprozentig dahinterstehen. Denn auf dem Weg zur Veröffentlichung und danach bei Lesungen wird man den eigenen Text wieder und wieder lesen. Da sollte man auch davon überzeugt sein.
Julia Hoch,1982 in Solingen geboren, lebt mit ihrer Familie in Bochum. Sie studierte u. a. Kulturwissenschaften in Hagen und Prosaschreiben bei der »Textmanufaktur«. Ihr Debütoman »LebensWende – Die Schwestern Brüggemann bleiben am Ball« (HELMER, 2021) stand auf der Shortlist des Skoutz-Awards. 2022 wurde eine Kurzgeschichte von der Literarischen Gesellschaft Bochum ausgezeichnet. Hoch ist Mitgründerin des Literaturförderungsprojekts »Prosa:ist:innen«, Mitherausgeberin des Literaturmagazins »introspektiv« sowie Mitglied in diversen Literaturnetzwerken.
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