Die 20 Romane in der Schublade

Die Autorin Sylvia Englert im Gespräch

Sylvia Englert hat 7.000 Fanbriefe beantwortet und kann sich vor Lesungsanfragen kaum retten. Im Gespräch erzählt sie, wie das ihren Alltag verändert – außerdem von Pseudonymen und einer Reise zur Antarktis.     

Sylvia Englert, Sie schreiben Fantasyromane für Jugendliche und für Erwachsene, Bilderbücher, Wissensgeschichten für Kinder, Schreibratgeber – um nur einige Genres zu nennen. – Wie ist dieses breite Spektrum entstanden?
Das hatte viel mit meinen Lebensumständen zu tun. Romane schreibe ich schon, seit ich elf Jahre alt bin, diese Bücher waren also zuerst da. Nach dem Studium habe ich aber bei einem Sachbuchverlag im Lektorat gearbeitet. Meine Chefin wusste, dass ich schreibe und fragte mich eines Tages „Magst du auch mal ein Buch für uns schreiben?“, denn sie suchte für ein bestimmtes Thema jemanden. Zack, schon war ich Sachbuchautorin – unter meinem richtigen Namen. Als dann ein paar Jahre später meine ersten Romane erschienen sind, habe ich mir dafür ein Pseudonym ausgesucht und war nun als Katja Brandis Autorin von Jugendromanen. Als mein Sohn geboren wurde, habe ich für ihn angefangen, Geschichten und Sachbücher für jüngere Kinder zu schreiben. Als letztes Genre kamen die Erwachsenenromane dazu, ganz und gar für mich und nach meinem Geschmack.

Als Katja Brandis sind Sie inzwischen Bestseller-Autorin. Ihre Woodwalkers-Reihe findet reißenden Absatz, mittlerweile sind 400.000 Bücher davon verkauft. Bleibt da noch Zeit für die anderen Genres und Zielgruppen?
Ja, mit „Woodwalkers“ habe ich irgendwie einen Nerv getroffen – gar nicht verkehrt, wenn einem das einmal im Leben passiert. Die Leser fordern so vehement Nachschub, dass ich dem Sachbuch und Bilderbuch nun Lebewohl gesagt habe. Dafür habe ich keine Zeit mehr, außerdem ist mein Sohn inzwischen zwölf und damit habe ich auch das Interesse am Bilderbuch verloren.

Einen Bestseller schreiben, das wünschen sich wohl die meisten Autoren. Wie war Ihr Weg dorthin?
Es war ein langer Weg, wenn man bedenkt, dass mein erstes Buch 1996 erschienen ist und der große Erfolg 2016 losging … fünfzig veröffentlichte Bücher später! Durch eine Reise in den Yellowstone-Nationalpark kam mir die Idee, dass ich gerne etwas über einen Puma-Gestaltwandler schreiben würde. Das Exposé gelangte über meine Agentur Gerd F. Rumler an den Arena Verlag. Durch die Diskussionen mit meiner Lektorin bin ich auf die Idee gekommen, eine Reihe ab zehn Jahren daraus zu machen und das geheime Internat, auf das die Hauptfigur Carag geht, in den Mittelpunkt zu stellen. Was soll ich sagen – das hat wunderbar funktioniert! Aber die Entwicklungsarbeit an der Idee hat sich über so etwa eineinhalb Jahre hingezogen und zwischendurch sah es nicht so aus, als würde noch was daraus werden.

Was denken Sie: Kann man einen Bestseller planen?
Ich glaube nicht, und nach Schema F schon gar nicht, das spüren die Leser. Manchmal hat man eben eine Sternstunde und eine Idee mit richtig viel Potenzial. Nach ungefähr 7 000 beantworteten Leserbriefen weiß ich inzwischen allerdings, was meine Leser mögen, und habe ein Gespür dafür entwickelt, was funktioniert. Bei manchen meiner Büchern war ich mir sicher, dass die Leser den Roman lieben werden, bei anderen war und bin ich aber völlig unsicher und habe keine Ahnung, wie mein Herzenskind auf dem Buchmarkt angenommen wird. Das ist immer wieder nervenzerfetzend!

Und was hat sich für Sie durch den großen Erfolg verändert?
Die letzten zwei Jahre habe ich dafür gebraucht, mein Leben dafür umzuorganisieren. Vorher habe ich ziemlich viel im Bereich Lektorat und Coaching gemacht, auch viele Fernstudenten für die Textmanufaktur betreut. Nun konzentriere ich mich stärker aufs Schreiben, muss aber auch mehr Zeit für die Fans einplanen. Jeden Tag treffen zwischen 15 und – bei Erscheinen eines neuen Bandes – 40 Fanmails und -kommentare ein, für die ich manchmal einen großen Teil des Nachmittags investieren muss. Außerdem bin ich noch häufiger auf Lesereise als zuvor, obwohl ich zu den meisten Anfragen Nein sagen muss. Weil ich mich ja ganz nebenbei noch um meine Familie kümmere, ist mein Arbeitstag drastisch länger geworden! Das klingt jetzt komisch, aber ich bin heilfroh, dass ich so einen Mega-Bestseller nicht schon vor zehn Jahren hatte. Mit einem kleinen Kind daheim wäre das alles schwierig geworden.

Ihre Jugendromane schreiben Sie als Katja Brandis, außerdem haben Sie einen Fantasy-Roman für Erwachsene unter dem Namen Siri Lindberg veröffentlicht. Warum haben Sie sich ein zweites Pseudonym zugelegt?
Leider kann man Kinderbuch und Erwachsenenroman nicht unter einem Namen machen, jedenfalls nicht, wenn man im Kinderbuch angefangen hat, das akzeptieren die Leser nicht. Man wird schnell in eine Schublade gesteckt, aus der man aber mit einem neuen Namen heraushüpfen kann – eine praktische Sache. Also habe ich mir ein wohlklingendes zweites Künstler-Ich ausgesucht, das ich wegen der Apple-Siri blöderweise wieder ablegen musste.

Sie haben mehrere Jahre lang als Journalistin gearbeitet. Recherche ist ja sowohl für Journalisten als auch für Autoren wichtig. Was war Ihre spannendste Recherche?
Es war ziemlich spannend, für meinen Roman „Vulkanjäger“ mit Helm und Atemschutzmaske auf den feuerspuckenden Stromboli und Ätna zu klettern, um die Ausbrüche aus der Nähe zu beobachten, aber noch aufregender war meine Recherchereise in die Antarktis für „White Zone“. Mir war furchtbar schlecht, als wir auf dem relativ kleinen Schiff um Kap Hoorn herumgefahren sind, aber es hat sich gelohnt, schon am ersten Morgen tummelten sich Schwertwale ums Schiff herum, wir konnten Buckelwale vom Schlauchboot aus beobachten und zwischen komplett furchtlosen Eselspinguinen herumspazieren. Beim Besuch einer argentinischen Forschungsstation musste ich mein löchriges Spanisch hervorkramen, die Forscher bei uns an Bord konnte ich zum Glück in Englisch interviewen.

Haben Sie einen Tipp für Debütautoren, die gern vom Schreiben leben wollen?
Am wichtigsten ist, sich handwerkliches Wissen anzulesen, ganz viel zu schreiben – das meiste im Leben ist Übungssache! – und die eigenen Texte kritisch mit anderen zu diskutieren. So wird man immer besser und damit auch interessanter für Verlage und Leser. Außerdem sollte man verschiedene Plots und Figuren entwickeln, denn nicht jede Idee taugt was oder eignet sich für den Buchmarkt. Das habe ich selbst schmerzhaft feststellen müssen – ich habe um die zwanzig fertige Roman-Exposés in der Schublade, die kein Verlag haben wollte, ganz zu schweigen von den 15 kompletten Romanen, die ich in meiner Jugend geschrieben habe und die auch sämtlich unveröffentlicht sind. Beim Anbieten gilt, dass man sich nicht schon vom ersten Misserfolg entmutigen lassen darf. Viel Glück!

Sylvia Englert (Katja Brandis)

Sylvia Englert (Katja Brandis), Jg. 1970, studierte Amerikanistik, Anglistik und Germanistik (Schwerpunkt Kinder- und Jugendbuchforschung). Im Campus Verlag wurde sie zur Lektorin ausgebildet und arbeitete danach einige Jahre als Journalistin, unter anderem für die Süddeutsche Zeitung. Inzwischen hat sich ihr Jugendtraum erfüllt, sie ist als …
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