Thomas Lang
Das eigene Schreiben zur Entfaltung bringen
Thomas Lang ist Schriftsteller, seine Romane wurden mehrfach ausgezeichnet. Bei der narrativa gibt er einen Schreibworkshop zum Thema Stranden. Über das Schreiben aus sich heraus, über angespült werden, scheitern und neu anfangen spricht er im Interview.
Thomas Lang, Ihr Workshop auf der narrativa steht unter dem Motto „Stranden“ – ein ungewöhnlicher Titel. Wie sind Sie darauf gekommen?
Es ist ja das Grundthema von „Robinson Crusoe“, einem der großen Romane unserer westlichen Literaturgeschichte. Vom Wasser ans Land zu kommen, dabei auf sich selbst zurückgeworfen zu sein – diese konkrete Situation finde ich interessant. Ebenso interessant ist das Stranden im metaphorischen Sinne: Ich bin im Leben gestrandet, also irgendwo hängengeblieben. Oder: Ich war rastlos und bin angekommen. Zu stranden, ist etwas, das alle kennen und wo jeder und jede mit eigenen Bildern und Ideen andocken kann.
Stranden assoziieren wir aber meistens mit etwas Negativem, oder?
Für mich ist der Begriff vor allem mit einer Spannung verbunden: Es fängt etwas Neues an. Das kann etwas Gutes oder etwas Beunruhigendes sein. Krisen sind ein wichtiges Thema von Literatur. In unserer auf Optimierung ausgerichteten Gesellschaft sollten wir sie immer wieder sichtbar machen.
Ist eine Krise ein besonders guter Ausgangspunkt für eine Geschichte?
Grundsätzlich schon. Wir wissen das vom Märchen: Glück ist der Endzustand, damit hört die Geschichte auf. Erzählende Texte, so wie wir sie heute kennen, beinhalten fast immer eine Herausforderung. Es geht darin um die Rätsel, vor denen wir im Leben stehen. Oft kann aus Krisen etwas Neues entstehen. Sie sind ein Anfang oder Wendepunkt.
Welche Rolle spielt das Motiv des Strandens in Ihrem eigenen Schreiben?
Wenn ich auf meine Bücher zurückschaue, stoße ich tatsächlich häufig darauf. In meinem ersten Roman geht es zum Beispiel um einen Protagonisten, der nach einem Unfall nicht mehr spricht und sich auf eine Insel in einem zufrierenden See zurückzieht – die klassische Situation des Strandens also. Oder meine jüngste Publikation „Freinacht“: Erzählt wird von Jugendlichen, die großen Mist bauen und davon, wie die Umwelt auf sie reagiert. Die Figuren erfahren einen Lebensbruch – also eine besondere Herausforderung und sie versuchen, damit umzugehen. Ich glaube, solche Situationen eignen sich besonders gut als Ausgangspunkt für das Schreiben.
Wie entsteht bei Ihnen die konkrete Idee für einen neuen Roman?
Die Anlässe können unterschiedlich sein: eine reale Begebenheit, eigene Erfahrungen oder das Interesse an einem fremden Leben, wie bei meinem biografischen Roman über Hermann Hesse. Und natürlich sind es immer auch Themen, die mich selbst innerlich bewegen. Mir geht es beim Schreiben oft so, dass ich von einer Situation oder einem Begriff ausgehe, ohne schon konkret an ein größeres Projekt zu denken. Etwas beschäftigt mich und ich fange an, tiefer zu graben. Manchmal wird dann eine Kurzgeschichte oder eben ein Roman daraus.
Eine Krise, aus der eine Handlung erwächst – das kennt man auch aus Plot-Schemata, wie dem Dreiakt-Modell oder der Heldenreise. Arbeiten Sie damit, wenn Sie einen Plot entwickeln?
Mich persönlich interessieren solche Schemata nicht so sehr. Sie können Anhaltspunkte geben und beim Schreiben helfen. Aber mein Ansatz ist eher, das eigene Schreiben zur Entfaltung zu bringen, hervorzuholen, was man in sich findet. Mir geht es darum, etwas auf mich wirken zu lassen und zu schauen: Welchen inneren Widerhall findet das, welche Bilder oder auch Spannungen löst das bei mir aus? So einen freien Zugang versuche ich auch in meinen Seminaren und Workshops zu vermitteln.
Was erwartet die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Ihrem Workshop zum Thema „Stranden“?
Ausgangspunkt sind kurze Texte oder Textabschnitte der Teilnehmenden, in denen es ums konkrete oder metaphorische Stranden geht. Dabei ist mir der Austausch untereinander sehr wichtig. Der Workshop bietet einen geschützten Raum, wo man sich öffnen und mit dem zeigen kann, was man gemacht hat. Dazu gehört, sich gegenseitig eine ehrliche und respektvolle Rückmeldung zu geben. Die bearbeiteten Texte müssen nicht, können aber Teil eines größeren Textes, vielleicht eines Romans werden. Den können wir im Rahmen des Workshops natürlich nicht vollständig entwickeln. Aber wenn die Beteiligten nach Hause gehen mit dem Gefühl, weitermachen zu wollen, dann ist das toll.
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