Ein Buch kann man heute innerhalb von vier Wochen gestalten
Der Verlagshersteller Tilman Göhler im Gespräch
Wie aus einem Manuskript ein fertiges Buch wird, darüber spricht der Verlagshersteller Tilman Göhler. Im Interview geht es um Fotosatz und Digitalisierung, um E-Books, Papier und den guten, alten Rotstift.
Tilman Göhler, Sie sind im Verlag Antje Kunstmann für die Herstellung verantwortlich. Was macht ein Hersteller?
Meine Arbeit beginnt dort, wo die Arbeit des Lektors endet. Ich bekomme den fertigen Text und mache daraus ein Produkt – das Buch. Je nachdem ob es sich um ein Sachbuch, ein belletristisches oder ein illustriertes Buch handelt, treffe ich unterschiedliche Entscheidungen. Ich überlege, welches Format passt, was für ein Layout sich anbietet und welches Papier sich eignet. Das stimme ich mit verschiedenen Verlagsbereichen ab. Zum einen bespreche ich die Ausstattung mit dem Lektor. Denn der kennt den Text ja am besten. Das Umschlagbild wird eng mit dem Vertrieb abgestimmt. Und das letzte Wort hat natürlich die Verlagsleitung. Wie ein Buch ausgestattet wird, ist auch eine verlagspolitische Entscheidung.
Verwenden sie immer dieselben Schriftarten oder variieren Sie?
Die Zahl der möglichen Schriften ist nahezu unendlich. Ab und zu probieren wir etwas Neues aus, aber es gibt ein paar Standardschriften, die sich gut bewährt haben. Welche Schrift verwendet wird, hängt auch von der Art des Buches ab. In Sachbüchern mit vielen fremdsprachigen Wörtern braucht man zum Beispiel viele Sonderschnitte – also Zeichen, die nicht zum Standardsatz gehören. Da empfiehlt sich nicht jede Schrift. Wenn ich viel Text auf einer Seite unterbringen will, wähle ich eine andere Schrift als bei einem Buch, wo das Layout luftig wirken soll.
Kein anderer Arbeitsschritt in der Buchproduktion hat sich durch die Digitalisierung so sehr verändert, wie die Herstellung, oder?
Ja, die Arbeit hat sich stark gewandelt. Als ich hier anfing, haben wir noch mit Fotosatz gearbeitet. Die Druckvorlage wurde auf fotomechanischem Weg erzeugt und in Form von Folien an die Druckerei geschickt. Bilder hat man oft noch per Hand in der Dunkelkammer nachbearbeitet. Ab den 1980er-Jahren sind die Druckereien nach und nach auf die digitale Druckvorstufe umgestiegen. Seit Ende der 1990er-Jahre entsteht das Buchlayout ausschließlich am Computer. Das hat die Arbeitsabläufe in der Verlagsherstellung enorm beschleunigt. Heute kann man innerhalb von vier Wochen ein Buch gestalten, für das man vor dreißig Jahren dreimal so lange gebraucht hätte.
Anstelle des manuellen Setzens ist das Desktop-Publishing getreten, also die Gestaltung am Computer. Machen Sie das direkt im Verlag?
Aufträge für den Satz vergebe ich oft an externe Setzer beziehungsweise Mediengestalter. Auch das Korrektorat – also das Korrekturlesen des gesetzten Textes – übernehmen Externe. Die Korrektoren erhalten die Druckfahnen als pdf-Datei. Sie drucken sich diese aber aus und nehmen ihre Korrekturen per Hand mit Rotstift vor. Parallel gehen die Fahnen an den Autor, der einen letzten Blick darauf werfen kann. Die Korrekturen vom Autor und vom Korrektor werden im Lektorat zusammengeführt. Der Lektor gibt sie an mich weiter – entweder auf Papier oder als pdf-Dokument. Mir ist die Papierversion nach wie vor lieber. In vielen größeren Verlagen ist es inzwischen aber gang und gäbe, dass Korrekturen nur noch digital ausgeführt und gleich weiterverarbeitet werden.
Welche Rolle spielen E-Books bei Ihnen im Verlag?
E-Books haben bei uns einen Anteil von sechs bis sieben Prozent am Umsatz. Das hat sich in den vergangenen Jahren nicht wesentlich verändert. Sie sind ein zusätzliches Produkt, aber kein Schwerpunkt, was sich auch im Herstellungsprozess spiegelt. Die E-Books werden aus den Druckdaten generiert. Viele größere Verlage arbeiten dagegen zweigleisig und bereiten den Text von Anfang an parallel für das gedruckte Buch und für das E-Book auf.
Der Verlag Antje Kunstmann veröffentlicht viele, aufwändig gestaltete Bücher. Ist das eine Art Nische in Zeiten zunehmender Digitalisierung?
Ich denke ja. Viele Menschen sitzen den ganzen Tag am Bildschirm. Da wächst das Bedürfnis nach etwas, das man in die Hand nehmen kann. Außerdem lässt sich ein gedrucktes Buch einfach besser verschenken als ein E-Book.
Das könnte Sie auch interessieren
Alle ansehenKeine Artikel gefunden.
Bitte versuchen Sie es mit anderen Suchkriterien.