

Ein Autor muss Gesicht zeigen
Drei Texte, drei Gewinner: Karsten Weissenfels, Birgit Bachmann und Gerd Wacker haben die Jury des narrativa-Schreibwettbewerbs überzeugt. Auf der Autorentagung in Berlin haben sie aus ihren Manuskripten gelesen. Wir stellen vor.
Karsten Weissenfels: „Das Schreiben von Prosa-Geschichten war immer wichtig für mich.“
Julian ist zwanzig und macht sich auf die Suche nach seinem Vater. Als er herausfindet, dass der ein renommiertes Hotel leitet, bewirbt Julian sich dort für ein Praktikum, gibt sich aber nicht zu erkennen. Erst will er herausfinden, was sein Vater für ein Mensch ist. Wie Julian die selbstgewisse Welt des „Oberbosses“ Stück für Stück ins Wanken bringt, erzählt Karsten Weissenfels in seinem Entwicklungsroman „Crocodile Smile“.
Die knappen pointierten Dialoge erinnern an Filmszenen. Das liegt nahe, denn Karsten Weissenfels kommt vom Film, hat als Drehbuchautor und im Filmschnitt gearbeitet. Heute leitet er eine Akademie für Filmschaffende. Geschichten schrieb er schon als Kind – und blieb auch als Erwachsener dabei. „Das Schreiben von Prosa-Geschichten war immer wichtig für mich.“ Die Idee zu seinem Roman ist zum Teil biografisch inspiriert, die Handlung ist aber fiktional.
Birgit Bachmann: „Manchmal denke ich mir aus, wohin die Menschen gerade fahren, wen sie zurückgelassen haben.“
Birgit Bachmann lässt sich beim Schreiben von zufälligen Eindrücken anregen, von einem aufgeschnappten Satz oder einer Zeitungsmeldung. Die Handlung ihres Romans „Raumforderung“ kommt durch eine Todesanzeige ins Rollen: Ein Vater und seine 23-jährige Tochter, beide sind am gleichen Tag gestorben. Die Ich-Erzählerin war vor vielen Jahren mit dem Vater liiert und wird nun von der Vergangenheit eingeholt. „Todesanzeigen von Menschen, die genauso alt sind wie man selbst, haben immer etwas Erschreckendes. Aber in einer Todesanzeige den Namen von jemandem zu lesen, an dem sich jahrelang die Gedanken wund gescheuert haben, lässt den Boden, auf dem man steht, durchlässig werden“, heißt es im Text. Birgit Bachmann beobachtet gern, und das merkt man ihren Figuren an. „Manchmal denke ich mir aus, wohin sie gerade fahren, wen sie zurückgelassen haben, wie es bei ihnen zu Hause aussieht“, so die Autorin.
Gerd Wacker: „Ich feile an allen Texten so lange, bis sie für meinen Geschmack perfekt sind.“
Keine Geschichte ohne Konflikt, das hat Gerd Wacker verinnerlicht. Konflikte und das Schreiben von Texten spielen auch in seinem Beruf als Notar und Rechtsanwalt eine Rolle. Wenn Gerd Wacker schreibt, dann muss jedes Wort passen. Und das wiederum ist für seinen Beruf eher untypisch. „Unter meinen Kollegen bin ich eine Art Sonderling, weil ich an allen Texten so lange feile, bis sie für meinen Geschmack perfekt sind“, sagt Gerd Wacker. Sein Episodenroman „Frieder“ hat auch einen persönlichen Anknüpfungspunkt. Aufgewachsen mit zwei Brüdern, kennt der Autor das Gefühl, bei einer triadischen Beziehung das fünfte Rad am Wagen zu sein. „So lag es nahe, das Thema zu fiktionalisieren und Frieder, Pit und Thomas zu erfinden.“ In seinem Text lässt er Frieder vergeblich nach einem „Mann fürs Leben“ suchen. Erst spät im Leben begreift Frieder, um wen es wirklich geht: um seinen Zwillingsbruder, den er bereits im Mutterleib verloren hat.
„Ein Autor muss irgendwann sein Gesicht zeigen“, so Gerd Wacker mit Blick auf die narrativa. Und dafür bietet die Textmanufaktur einen Ort. Auf unserer Scouting-Plattform stellen wir Autorinnen und Autoren vor, an deren Zukunft wir glauben – aus unseren Kursen, Studiengängen und dem narrativa-Schreibwettbewerb.

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